S&M: Salander & Mara
Auch wenn Blomkvsit die Hauptfigur in Stieg Larssons erstem Millenium Roman sein mag, so ist doch unbestritten Lisbeth Salander die dunkle Seele der Geschichte, das Faszinosum gewissermaßen, wenn nicht gar seine Essenz. David Fincher ist das freilich nicht entgangen und entsprechend stimmt er den Film auf seine Darstellerin Ronney Mara ab, die sukzessive die Hauptrolle des James Bond Stars Daniel Craig übernimmt, welcher als Blomkvist ungewohnt impotent in Erscheinung tritt. Vielerorts erinnert die Neuverfilmung des Bestsellers an Polanskis Ghostwriter: Grauer Himmel, Niederschlag, Kälte, entsättigte Farben, karge Abgeschiedenheit, mysteriöse Architektur und darin gefangen ein Schriftsteller, der in der Vergangenheit anderer Menschen stochert und einen Mord investigiert – mit weitreichenden Konsequenzen. Durch das Streichen introvertierter Emotionen auf das exzessive aber kommentarlose Zeigen der kalten Räume, verleiht der Film ansonsten belanglosen Zwischenmomenten eine existentielle Schwere. Doch das ist nur die die halbe VERBLENDUNG. Die andere Hälfte brettert in eisiger Kälte ungeschützt und waghalsig auf einem mattschwarz lackierten Retromotorrad durch die verlogenen Idylle, trägt Leder und Metall und konsumiert Hightech zum Frühstück. Was Salander bereits als Kind miterleben musste hat noch nicht ausgereicht, um sie zu jener apokalyptischen Prinzessin zu machen, die VERBLENDUNG von ihr
abverlangt. Aus Demut, Schmerz und Verachtung wird sie erneut geboren, nachdem sich das längst volljährige Mündel ihres widerwärtigen Vormunds entledigt. Sex ist Bestrafung und Belohnung, Leben und Tod, in einem Film, der der Dominanz ihre Fragilität abgewinnt.
Ronney Mara, die zweifellos als neuer Star aus dieser Vorstellung hervorgehen wird, kommt beim Darstellungsspektrum von ohnmächtiger Hilflosigkeit bis konsequenter Härte, was Fincher in beiden Richtungen bis ins Extreme stilisiert sehen will, durchaus ins Schleudern; wird vielleicht sogar von einer versierten Inszenierung bewusst soweit gebracht. Nicht immer mag die starke Salander zur Schwachen passen, letztere jedoch vermag es unnachahmlich gut die trotzige Aggressivität als Schutz einer die Schultern hängen lassenden Seele zu etablieren. Die hieraus generierte Härte und Dominanz lässt immer noch die Zerbrechlichkeit des gezeichneten Wesens erkennen, das sie hervorbringt. Ebene jene Kombination aus niederdrückender Bestimmtheit und nach vorne fliehender Verletzlichkeit ist es, die den gestandenen Blomkvist auf die Matte zwingen soll, unter ein 23 jähriges Mädchen. Fincher muss Blomkvist nicht erst schwach zeichnen und Salanders Coolness bis zum Anschlag aufdrehen, um eine Szene zuzulassen, in welcher die blasse Frau den muskulösen Mann in die Laken drücken darf. Er tut es dennoch,
aber in zahlreichen Momenten bleibt Maras Selbstbewusstsein als aufgesetzt und inkonsistent erkennbar, was sie auf höherer Ebene zu einer sehr realen Salander macht – und Fincher zum perfekten Regisseur, sofern er durch das Aufdecken des Spiels der Schauspielerin das Spiel der Rolle bewusst sichtbar macht.
Verblendung gräbt sich tief ein ohne zu schockieren. Der Film zieht den Rotz der Erniedrigten und Beleidigten bis ins Gehirn hoch und spuckt ihn trotzig aber geläutert wieder aus. So wird eine Sensibilität geschaffen, die härter sein kann als die Ignoranz der Verachtung und analog zur Verformbarkeit des Wassers die Bruce Lee’sche Unbesiegbarkeit (oder Unnahbarkeit?) hervorbringt. Die ergreifende Geschichte menschlichen Versagens findet in dieser heftigen Inszenierung einen poetischen Weg ins Unterbewusstsein der Zuschauer.
Ähnliche Filme:
Information:
Engl Titel: The Girl with the Dragon Tattoo
USA 2011
Dauer: 158 Minuten
FSK: 16
Regie: David Fincher
Drehbuch: Steven Zaillian
DoP: Jeff Cronenweth
Musik: Trent Reznor, Atticus Ross
Darsteller: Daniel Craig, Stellan Skarsgård, Robin Wright, Christopher Plummer, Gustaf Hammarsten, Goran Visnjic, Joely Richardson, Steven Berkoff, Geraldine James, Yorick van Wageningen, Arly Jover, Donald Sumpter, Rooney Mara, David Dencik, Moa Garpendal
Genre: Thriller, Krimi, Drama
Im Kino: 12.01.2012
Im Web:
Verblendung in der IMDb
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Copyright Bilder und Trailer: Sony Pictures Releasing