Pusher II (2004)

Pusher 2 PlakatErniedrigung, Dummheit, Brutalität: Winding Refn zeigt Gangster ungeschminkt, widerlich und traurig.

PUSHER 2 schließt in vielerlei Hinsicht an PUSHER an, nicht zuletzt durch den Charakter Tonny (Mads Mikkelsen), der in dieser hervorragenden Fortsetzung die Hauptrolle übernimmt. Frisch aus dem Kopenhagener Knast versucht er bei seinem Vater (Leif Sylvester Petersen), einem einflussreichen Autoschieber, Fuß zu fassen. Der jedoch macht keinen Hehl aus seiner Geringschätzung für das missratene Kind und eigentlich hat Tonny von Anfang an keine Chance unversehrt davon zu kommen. Aber er macht es den anderen auch wirklich leicht ihn zu hassen. Der Regisseur von DRIVE zeichnet seine Helden als dummen, unüberlegten und respektlosen Proleten, der selbst unter dem Abschaum, den er seine Leute nennt, negativ auffällt. Dennoch kann er bald zur traurigen Identifikationsfigur für den Zuschauer werden, denn der Film begnügt sich nicht mit dem bloßen Ausstellen von kranker Krassheit.

Pusher 2 Arme Bild
Sicherheitscheck statt Fürsorge: Tonny (Mikkelsen) zeigt seinem Vater (Petersen) die Arme.

Eigentlich ist dieses verstörende und schmerzhafte Werk mindestens so sehr Sozialdrama wie Gangstergeschichte, bleibt dabei aber so trocken und unprätentiös, dass einem das Mitgefühl im Halse stecken bleibt. Erst ganz am Ende wird wenigstens der Musik für einen Moment gestattet das Trauerbild zu untermalen, das Tonny abgibt, nachdem er von seiner Umwelt systematisch und unnachgiebig zum Prügelknaben und dummen Jungen für alle degradiert wurde. Mikkelsen gibt in seiner Exaltiertheit den obszönen Chaoten ebenso überzeugend, wie er mit seinem Minimalismus dessen verzweifelten Kampf um Achtung nahe bringt. Ein verschämter Blick auf den Boden, mal zucken die Augenbrauen kurz, dann wieder ein die Unsicherheit überspielendes Grinsen und eine lautstarke Geste: Tonny hat kein Selbstwertgefühl. Und ihm wird auch keines zugestanden. Mehr verbittert als aggressiv wirkt deswegen sein tätowierter Hinterkopf, der mit dem Wort Respect nur eine hohle Phrase drischt; nicht nur nutzlos, sondern peinlich.

Pusher 2 Spiegel Bild
So geht Drama: Wir sehen nicht nur Tonny, wir sehen wie Tonny sich selbst sieht.

Tonny ist nicht der harte Kerl, der er sein will, der er sein soll und der er sein muss, um zu überleben. Aber er begreift nicht, dass sein immer waghalsigeres Gebärden ihn immer noch tiefer in die Verachtung derer treibt, um dessen Anerkennung er buhlt und von denen er sich besser fern halten sollte. Jeden Handlanger behandelt sein Vater besser als den eigenen Sohn und selbst den Nutten, die ebenfalls keinen Wert haben in diesem Film, wird erlaubt ihn zu denunzieren. Kein Wunder, dass er seinen Mann nicht steht, nicht im Bett und auch sonst nirgendwo. Nachdem er es tatsächlich schafft einen Bruch für seien Vater fehlerlos auszuführen, wird er erstmal in den Kofferraum gesteckt. Keiner dachte an den Fahrplatz für ihn. Dann wird Tonny von Mösen-Kurt (Kurt Nielsen) gegriffen, dem nächstbesten Kleinkriminellen, der ihn ungefragt so tief in die Scheiße reitet, dass bald ein Kampf auf Leben und Tod beginnt. Und inmitten all dieser verkorksten, koksenden, niederträchtigen, rücksichtslosen und perversen Gestalten präsentiert Hure Charlotte (Anne Sorensen) Tonny sein Baby. Ein armseliger Wurm, in Rauchschwaden ungeliebt weitergereicht, der im Rotlicht abgestellt unschuldig seiner nicht existenten Zukunft entgegensieht und ausgerechnet in Tonnys Armen seinen Platz finden soll.

Pusher 2 Kind Bild
Begegnet sich selbst: Mann und Kind, die keiner will.

PUSHER 2 wird irgendwann derart ungerecht, dass man die Geschehnisse getrost dem dramaoptimierten Drehbuch zuschreiben kann, welches den schnörkellosen Realismus, wie bei den Brüdern Dardenne, zu einem konzentrierten Realismuskondensat verdichtet. Im Gegensatz dazu sind die Gefühle, wenngleich durch Übertreibungen evoziert, in ihrer Beschreibung des Milieus wohl sehr treffend und real. Tonny ist selbst dieses Kind, das allen nur lästig ist und sich erst dann als gut erweist, wenn er sich noch schlimmer als die Monster um ihn herum verhält. Refn lässt ihm alles nehmen, kommentarlos und beleidigend. Durch dieses schonungslose Aufdecken der katastrophalen Verhältnisse, die auf Tonny einwirken, wird schließlich selbst dieser taktlose, rohe Unsympath ein unschuldiges Kind, das ganz am Ende wie schon Frank in PUSHER der Wirklichkeit seines beschissenen Lebens ins Gesicht sehen muss. Ein starker Film.

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Das Kind, Pusher

Information:

Titel: Pusher II: Respect

Orig. Titel: Pusher II

Dänemark 2004

Dauer: 100 Minuten

FSK: 16

Regie: Nicolas Winding Refn

Drehbuch: Jens Dahl, Nicolas Winding Refn

DoP: Morten Søborg

Musik: Lol Hammond, Peter Peter

Darsteller: Mads Mikkelsen, Leif Sylvester Petersen, Anne Sorensen, Kurt Nielsen, Oyvind Hagen-Traberg, Maria Erwolter, Karsten Schroder

Genre: Drama, Gangster

Im Kino: 04.09.2009 TV

Im Web:

Pusher II in der IMDb

Copyright: NWR Films, Fimconfect

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