Im Reich der Raubkatzen (2011)

Im Reich der Raubkatzen PosterWildnis ohne Wild: Fiktionale Naturdokumentation mit viel Gerede und wenig Wunder.

Eine ganz andere Art von Dokumentation versucht Disneynature mit IM REICH DER RAUBKATZEN, der eigentlich viel lieber ein szenischer Film wäre. In gewisser Weise ist er das auch, denn bis zum Abspann lassen die Regisseure Fothergrill und Scholey nichts unversucht, ihn in dieses Korsett zu zwängen. Aber wie können in freier Wildbahn gefilmte Tiere Rollen übernehmen?

 

 

IM REICH DER RAUBKATZEN Bild
Vertauschte Rollen: Die Protagonisten im Schatten, die Filmcrew lauert auf.

Vor allem dadurch, dass eine pausenlos quasselnde Erzählerstimme (im Original Samuel L. Jackson) den unfreiwilligen Protagonisten dicke Dramen oktroyiert. Unfreiwillig komisch wirkt bereits die Namensgebung, welche die Tiere darüber hinaus fast zu Haustieren zwangsdomestiziert. Mara, Layla, Sita, Fang & Co. sind Raubkatzen in Kenias Masai Mara. Löwen wie Geparden wird ihre Gefährlichkeit und Wildheit durch die Erzählung und teils fingierte Szenen ebenso angedichtet wie abhanden gesprochen, der Film macht sie vor allem zu empathiefördernden Protagonisten. Gerade einmal der zum Bösewicht stilisierte Löwe Kali darf manchmal auch wirklich Löwe sein, ansonsten heißt es mitfühlen in einem überspitzten Abenteuer. Die Bilder der Tötung direkt nach dem Moment, als die pfeilschnelle Gepardin Sita eine Gazelle reißt, fallen der Dramaturgie zum Opfer. Froh muss man sein, dass ihre Jungen nicht Hunger leiden. Derartige szenische Verdichtungen und Erklärungen zur Lebensweise der Tiere finden sich gewiss auch in anderen Dokumentationen, und zu Recht. Doch Aussagen wie: „ Fang ist der beste Vater, den man sich wünschen kann“, oder das vorschnelle Wissen um die Intentionen, ja sogar Gefühle der Tiere, verkommt schnell zum Geschwafel, das manch herrlich unmittelbare Bild durch seinen Zuckerguss verblassen lässt.

IM REICH DER RAUBKATZEN Löwe Bild
So sieht ein Löwe aus – leicht zerzaust. Ist er einer der Protagonisten? Wer weiß das schon.

Die wirklich spektakulären Aufnahmen, ohne vermatschendes Tele(novela)objektiv und voller digitaler Schärfe und Frische, finden sich nur eingangs und werden dann zugunsten einer Szenekonstruktion ausgespart, die auch vollkommen belanglose Bilder verwendet, nur um den Text angemessen unterzubringen. Wenn noch dazu die Erzählerstimme intoniert wie in einem Hörspiel (deutsch: Thomas Fritsch), wähnt man sich in einem Kinderfilm aus Plastik. Obwohl manche Momente mit schöner Musik wirklich gelungen sind, bleibt von einer Besinnlichkeit wie sie andere Filme dieser Art bieten wenig übrig. Mit Natur-Beobachtung hat das nurmehr bedingt etwas zu tun, geht stattdessen eher Richtung Interpretation – und die fällt so aus, dass, wer ungestüme Natur voll verblüffender und verwundernder Momente sucht, in diesem versöhnlichen Film ganz falsch ist. Zwar wurde als wissenschaftliche Expertin Sarah Durant von der Zoological Society of London engagiert, damit die Tiere nicht vermenschlicht dargestellt werden — zu sonderlich viel Zurückhaltung hat dies trotzdem nicht geführt. Mag sein, dass alle die gezeigte Handlung tatsächlich das Leben der Tiere prägt und keinesfalls konstruiert ist, die Präsentation dieser Handlung ist es aber doch ganz gewaltig. Gewiss betritt man so leicht das große Schlachtfeld um die Authentizität der Dokumentarfilme, einer Authentizität, die es zweifellos nie in geben wird, die noch nicht einmal definiert werden kann. Natur- und Tierfilme hatten aber bisher eben keine Protagonisten, die man bitten konnte noch einmal den Brunnen zu bedienen oder das Feuer zu schüren, was sie erfrischend anders machte; natürlicher irgendwie, denn den erhaschten Bilder haftete etwas unwiederbringliches an. Zwar hören die Tiere in IM REICH DER RAUBKATZEN noch immer nicht auf die Kommandos der Filmcrew, aber sie werden einfach so montiert, als hätten sie es doch getan, und das ist spürbar unnatürlicher, was auch immer das heißen mag.

IM REICH DER RAUBKATZEN Nachwuchs Bild
Nachwuchskreislauf: Kamera sieht Spiegelung, Spiegelung sieht Löwenjunge, Löwenjunge sehen Kamera.

Das Versäumnis die zahlreichen im Film auftauchenden Tierarten zu benennen (vermutlich war der Platz auf der Tonspur knapp geworden), holt der Film auf charmante Art im Abspann nach, wo alles Getier noch einmal mit entsprechender Tätigkeit als Crew gelistet wird. Aber auch der Spaß mit der Giraffe, die für Kranaufnahmen zuständig gewesen sein soll, findet schnell sein Ende, was den Machern leider entgangen ist, denn der Abspann geht ewig.

Ähnliche Filme:

Der König der Löwen

Nach oben scrollen