Wer ist Hanna (2011)

Wer ist HannaIm Gegensatz zur BOURNE IDENTITY ist die Frage nach der Identität von HANNA nicht wirklich brisant. Vielmehr zählt das Wie als das Wer, und daran hält sich auch der Film, entgegen dem deutschen Titel. Wie sie ist, die Hanna: Außergewöhnlich, anders, gewagt, experimentell – und deswegen trifft sie nicht wirklich ins Herz.

Von Anfang an bleibt WER IST HANNA schwer zu verorten. Dies betrifft nicht nur Ort und Zeit, sondern vor allem auch die Haltung des Films zum Erzählten. Was wie Abenteuer und Fantasy beginnt, wechselt bald ins Agentengenre, springt über Actionfilm auf Jugendfilm um und lässt auch Musikvideo, Comic und Märchen nicht aus. Vor allem letzteres durchzieht den Film dann doch wie ein roter, grimmscher Faden. Analog zu den Märchen der hartgesottenen Brüder, werden Körper konsequent bearbeitet, blutrünstig wird der Film aber nicht. Mit der Rolle der Marissa (Cate Blanchett) inszeniert Regisseur Joe Wright auch einen bösen Wolf, eine Rolle die der unterkühlt wirkenden Blanchett spätestens seit dem Hexenauftritt im HERR DER RINGE sehr gut steht. Ihr entgegen stellt sich Erik (Eric Bana) und freilich seine Tochter Hanna, gespielt von der jungen Saoirse Ronan, deren Augenfarbe nicht das einzige an ihr ist, was an Mausgrau erinnert. Kein Wunder, verbrachte Hanna doch ihr ganzes bisheriges Leben im Wald. Hannahs Sehnsucht nach Musik bringt die Miesere ihres Daseins auf den Punkt: Was fehlt ist Gefühl, echte Erlebnisse, echtes Leben, außerhalb des künstlichen Klassenzimmers, das ihr Vater für sie eingerichtet hat.

In der Realität schließlich setzt sich das Mädchen als eine Art Neo-Nikita in Techno Bildern mit entsprechendem Tongewummer der Chemical Brothers gegen Heerscharen böser Agenten durch, ehe sie sich der Rundreise einer Hippiefamilie anschließt (Olivia Williams und Jason Flemyng). Und weil die inkonsistente Haltung des Films zu einer durchaus  schön anzusehenden und stilisierten Sprache führt (oder anders herum?), erstreckt sich der Film auf fast 2 Stunden Spielzeit, hinter denen letztendlich aber eine recht einfach gestrickte Geschichte steht. Schon die Einleitung wirkt in ihrer Redundanz sehr gedehnt, ohne viel zu verraten. Verknappt hingegen werden fast alle Actionbilder und Kampfeinstellungen, die aufgrund der lahmen Choreographie im Schnitt beschleunigt werden mussten und deswegen stark an MTV erinnern. Nur einmal darf der ehemalige BLACK HAWK DOWN Sergeant Bana allein gegen fünf Agenten antreten, in voller Länge ohne Schnitt. Diese von der Steadycam begleitete, recht lange Sequenz – einmal mehr in der orangen Fußgängerunterführung am Berliner ZOB gefilmt – scheint in wenigen Momenten alle die Actionversäumnisse der Jugenddarstellerin Hannas wett machen zu wollen, lässt aber in nicht wenigen Bewegungen die nötige Wucht vermissen und endet zudem etwas holprig.

Dass WER IST HANNA aber als Actionfilm gar nicht Punkten will, verrät auch der Auftritt des Bösewichts Isaacs, für den einmal mehr Tom Hollander herhalten muss. Dessen übertriebene Tuntigkeit wird kurzerhand aus dem FLUCH DER KARIBIK importiert und beschert dem Film einen weiteren Farbklecks. Mehr noch als in seiner Disney Rolle gibt er den aufgesetzten, exaltierten Bösewicht, wie er in Jugendfilmen typisch ist. Aus der Sicht einer ikonographischen Übertreibung in und loser Anlehnung an das Märchen wird es dann auch erträglicher, dass die bösen deutschen Handlanger mal wieder Skinheads mit Springerstiefeln und Bomberjacken sind.

Zum doppelten Showdown wird der Film dann noch einmal wirklich schräg, sowohl was den Plot, als auch dessen Umsetzung anbelangt. Die Frage nach etwaigen Fehlern beim Dreh oder im Drehbuch mag dem ein oder anderen durchaus in den Sinn kommen. Jedenfalls endet WER IST HANNA in etwa so abrupt wie er angefangen hat und war die ganze Zeit über eines bestimmt nicht: Gewöhnlich. Eine Zwei für Mut und Frische.

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Information:

Engl. Titel: Hanna

Deutschland, USA, Großbritannien 2011

Dauer: 111 Minuten

Regie: Joe Wright

Drehbuch: David Farr, Seth Lochhead

DoP: Alwin H. Kuchler

Darsteller: Saoirse Ronan, Eric Bana, Cate Blanchett, Olivia Williams, Tom Hollander, Michelle Dockery, Cyron Bjørn Melville, Jessica Barden, Álvaro Cervantes, Jamie Beamish, Marc Soto, John MacMillan

Genre: Märchen

Im Kino ab: 26.05.2011

Im Web:

Wer ist Hanna in der IMDb

Bilder und Trailer zur Filmkritik von Wer ist Hanna auf der offiziellen Website

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