Makellos, spannend, leer: Politischer Giftmüll von George Clooney.
Wieder einmal Wahlkampf in den USA! Genauer handelt es sich bei den Intrigen von Regisseur Clooneys neuem Film THE IDES OF MARCH um die Vorwahlen der Demokraten, die den Präsidentschaftskandidaten ermitteln sollen. Seit dem Roman Primary Colours (1996) von Joe Klein, der in vielerlei Hinsicht Pate für das Drehbuch gestanden zu haben scheint, hat sich an dieser widerlichen und skrupellosen Schlammschlacht, die die Amerikaner Wahlkampf nennen, nichts geändert. Tatsächlich adaptierte Clooney gemeinsam mit Drehbuchautor Grant Heslov das Theaterstück Farragut North von Beau Willimon, welcher damit wiederum lose seine Erfahrungen des Wahlkampfs für Howard Dean verarbeitet. Zusammen mit Primary Colours, welches in Anlehnung an Bill Clinton gelesen wird, zeichnet sich so ein Bild der Spitzenkandidaten der Demokraten, welches vor allem von jungen Frauen geprägt wird. Oder besser gesagt: Von Sex mit jungen Frauen.
THE IDES OF MARCH rührt in diesem leidigen Thema und den damit verbundenen Vertuschungen, Anschuldigungen und Manipulationen ohne etwas Neues zu Tage zu fördern, aber auch ohne viel falsch zu machen. Das Ergebnis ist ein solider, amerikanischer Film, bei dem alles irgendwie zu solide und zu amerikanisch erscheint, um wirklich begeistern oder schockieren zu können. Per Dudelsack bläst die große und doch nichtssagende Musik (Desplat) zum Sturm auf den (falschen) Pathos, die Gesichter sind von Clooney selbst über Gosling bis Tomei und Giamatti perfekt gewählt, perfekt wie die ruhige Kälte der Bilder, die fast nur Gespräche darstellen. So perfekt, dass nichts mehr durchdringt oder aus dem Rahmen fällt. Als hätten alle ihre Hausarbeiten zu sorgfältig gemacht und von der Themenwahl bis zur fertigen Umsetzung ein (sogar finanzielles) Streberstück abgeliefert, das von allem Wichtigen zeugt, nur nicht von Genialität oder Ausgefallenheit. Makellos, spannend, leer — könnte man
das auch nennen. Keiner der vielen begabten Schauspieler wagt den Sprung aus dem erwarteten Spiel, so als wären sie wirklich Politiker – nur, wer Regen realistisch filmen will, der wartet auch nicht auf echten Regen — und Film ist nicht Politik. Goslings großes Konzept scheint innere Leere zu sein, so als würde er den Anweisungen Fellinis lauschen und nichts weiter als Zahlen im Kopf haben. Zahlen, die er statt Dialog spricht und Zahlen, die ihm sagen wie lange er wo zu verweilen und wohin zu blicken hat. Als würden plötzlich zu viele Augen auf Ihn blicken und als bekäme es ihm nicht, dass alle von ihm ausgingen als einem, der jede Rolle meistern kann. Und so macht er gar nichts, sieht sich nur an was passiert, wartet ab, um nichts Falsches zu machen, wartet ab und ist einfach da, und das kann genial sein, in der richtigen Rolle, nicht aber als strauchelnder Idealist Meyers auf dem ultimativen Karriere- und Machttrip. Schon als er der klischeetypisch bissigen Reporterin Ida (Tomei) seinen Idealismus gesteht, glaubt man ihm nicht, denn seine zurückhaltende Beobachtung verrät viel zu viel Desinteresse für inneren Antrieb. Erst als er am Zerbrechen ist kommt er gut in Fahrt, insgesamt aber scheint der Film von zu viel Schauspieler und zu wenig Regisseur gelenkt zu sein.
THE IDES OF MARCH wird einer der Filme sein, die wir im Kino gesehen haben und nichts weiter. Einer jener, die alle DVD Sammler irgendwann bei sich zu Hause stehen haben werden, und nachdem sie ihn gesehen haben werden sie sagen: „Aha, ja — ach, schon wieder so spät, lass uns ins Bett gehen.“ Und dann werden sie das Licht löschen und sagen: „Na zum Glück ist es bei uns noch nicht so schlimm wie in Amerika. Aber es wird auch immer schlimmer, nicht? Ach ja, gute Nacht. Gute Nacht.“ Wäre THE IDES OF MARCH wirklich gut und eine Abrechnung mit der Politik, wie manche behaupten, dann würden die Zuschauer keinen Schlaf finden in dieser Nacht. Aber sie werden schlafen. Wie immer. Und in der Politik läuft alles weiter wie bisher.
Ähnliche Filme:
Mit aller Macht
Information:
Engl. Titel: The Ides of March
USA 2011
Dauer: 98 Minuten
FSK:
Regie: George Clooney
Drehbuch: George Clooney, Grant Heslov
Nach dem Theaterstück Farragut North (2008) von Beau Willimon
DoP: Phedon Papamichael
Musik: Alexandre Desplat
Darsteller: Ryan Gosling, George Clooney, Evan Rachel Wood, Marisa Tomei, Paul Giamatti, Philip Seymour Hoffman, Max Minghella, Jeffrey Wright, Danny Mooney, Lauren Mae Shafer, Wendy Aaron, Hayley Madison, Talia Akiva, Ewan Bourne, Abe Larkin
Genre: Thriller, Politfilm
Im Kino: 22.12.2011
Im Web:
The Ides of March in der IMDb
Bilder und Trailer zur Filmkritik von The Ides of March auf der offiziellen Website
Copyright Bilder und Trailer: Tobis