Wenig mitreißender Film, der zwischen kunstvollem Zeigen und eklektischem Konzeptualisieren vollkommen das Herz vergisst.
Was bei PERSEPOLIS in der gezeichneten Welt noch geklappt haben mag, bleibt bei HUHN MIT PFLAUMEN im Halse stecken: Abziehbilder skurriler Charaktere wirken von echten Menschen gespielt hölzern, unpassend inszeniert und kaum sympathisch. Dazu versagt die Dramaturgie so präzise wie ein Uhrwerk, denn der Schnitt präsentiert einen Plot, der vollkommen am Ziel des Films vorbeiläuft. Immerhin bleibt das Ziel erkennbar, wenngleich erst ganz am Ende. Diese wenigen Sekunden hätten die Geschichte um den lebensmüden Geiger Nassir-Ali Kahn (Mathieu Amalric) besser erzählt, als die langwierigen, teils langweiligen, angestrengt leichtfüßigen Abschweifungen und Seitensprünge der Handlung in Mikrogeschichten fernab der relevanten Emotionen und Handlung. Fast scheint es, als wären sämtliche Randnotizen der Drehbuschschreiber (Paronnaud, Satrapi) direkt ins Drehbuch eingeflossen. Jeder noch so abwegige Gedanke zu jeder noch so unwichtigen Figur wurde verwurstet – wenn nicht real gefilmt, dann eben mit gemalten Bildern. Die Bildästhetik erreicht dabei durchaus auch überzeugende Höhen und extravagante Stilisierungen, welche mit viel Mühe und Liebe ein visuelles Art Design beschreiben, das an Almodóvar ebenso erinnert wie an Gondry, Chan Wook Park oder Jeunet. Jedoch gibt es nichts, was diesen Film zusammenhalten will. Stattdessen
wird alles getan, um ihn zu zersprengen. Noch dazu bietet die Hauptfigur, welche auch über gewaltige Zeitsprünge hinweg immer nur vom unveränderten und mit ewig aufgerissenen Augen blickenden Amalric gespielt wird, nicht sonderlich viel empathischen Stauraum. Vielleicht stand ja der Feminismus oder die Political Correctness im Weg, jedenfalls muss der traurige Geiger einige Sympathien an seine eigentlich als Furie in Erscheinung tretende Frau Faringuisse (Maria de Madeiros) abgeben. Deren Wert wird so zwar gehoben, das Niveau des ganzen Films jedoch um mindestens diese Größe gesenkt.
Die überwiegend sequentielle und durch die Zeit springende Erzählweise ist gezwungenermaßen flach, gereicht nicht den Erwartungen der vielversprechend klingenden Eingangsworte des persischen Märchens und lässt den Zuschauer nicht selten in einer kalten, expressionistischen Leere stehen, die von viel Ambition und Kunstbeflissenheit zeugt — und von wenig genuiner Seele. HUHN MIT PFLAUMEN will vielleicht einfach zu sehr gefallen, will zu sehr eine 1+ und tappt dabei in eine vom Film selbst genannte Falle: Der Geigenlehrer Nassirs lobt einmal dessen technisches Können, beklagt sich jedoch über die Leere seiner Musik. Es tut weh, diese Worte in eben solch einem Film zu hören, genauso wie es schmerzt, dass es in Teheran von Franzosen nur so zu wimmeln scheint.
Die eigentliche Geschichte ist schnell erzählt, jedoch würde dessen Vorwegnahme den Film verraten – was vielleicht gar nicht so schlecht wäre. HUHN MIT PFLAUMEN macht jedoch einen großen Hehl aus seiner Geschichte, die zugegebenermaßen nicht einfach zu erzählen ist, wenn man sich nicht dem selbstgefälligen Mitleid hingeben will. Dennoch missglückt der Versuch den schwach schimmernden Stern dadurch zu fassen, dass man einfach den dunklen Punkt daneben fixiert und so das wenige Licht abseits des blinden Flecks sammelt. Das Werk von Paronnaud und Satrapi blendet zu sehr, um dieses schwache Licht zu erkennen. Noch dazu blickt HUHN MIT PFLAUMEN zu weit vorbei am eigentlichen Thema und erstarrt in der – vielleicht teilweise schönen – aber immer noch eisigen Kälte eines indifferenten Kosmos. Dennoch wird dieser Film seine Freunde finden; und über Kunst muss man nicht streiten. Wer mehr an Gefühlen und weniger an Kunst interessiert ist, kann sich den Film auch sparen.
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Regie: Vincent Paronnaud, Marjane Satrapi
Drehbuch: Vincent Paronnaud, Marjane Satrapi
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Darsteller: Mathieu Amalric, Edouard Baer, Maria de Medeiros, Golshifteh Farahani, Eric Caravaca, Chiara Mastroianni, Mathis Bour, Enna Balland, Didier Flamand, Serge Avedikian, Rona Hartner, Jamel Debbouze, Isabella Rossellini, Dustin Graf, Frédéric Saurel
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Im Kino: 05.01.2012
Im Web:
Huhn mit Pflaume in der IMDb
Bilder und Trailer zur Filmkritik von Huhn mit Pflaume auf der offiziellen Website
Copyright Bilder und Trailer: Prokino