Chronicle – Wozu bist du fähig? (2012)

chronicle PosterUnter Damokles Schwert: Wozu man nicht fähig ist, wenn man zu allem fähig ist.

Dunkel und kalt geht es in CHRONICLE zu. Andrew (Dane DeHaan) ist der Außenseiter in der Schule, der Prügelknabe für seinen Vater (Michael Kelly), etwas peinlich für seinen Cousin Matt (Alex Russel) und ein Engel für die schwerkranke Mutter (Bo Petersen). Der Film von Regisseur Josh Trank trägt recht dick auf, um diese Charakterisierung zu etablieren, zitiert auch Klischees und bleibt gefühlt oberflächlich – für das anvisiert jugendliche Publikum sind diese Bilder jedoch so begreiflich, dass die Stimmung gleich in den Keller rutscht. Die Grenze zum psychologischen Drama entlang schrammend flüchtet sich die Geschichte – wie der Hauptdarsteller – immer wieder in besser verdauliche Action und Special Effects, für die der Kontakt mit einem merkwürdigen Ding unter der Erde sorgt. Zufällig werden so der ängstlich-aggressive Andrew, der etwas arg selbstreflexive Matt und der fröhliche Sprücheklopfer Steve (Michael B. Jordan) mit telekinetischen Superkräften ausgestattet, die zwischen ihnen schnell ein Band inniger Vertrautheit aufkommen lassen. Sehr zur Freude von Andrew natürlich, der bis dato nie Freunde hatte und dem sich mit der Erprobung der neuen Kräfte ein viel interessanteres Tätigkeitsfeld eröffnet als der Mutter beim Sterben und dem Vater beim Saufen zuzusehen.

chronicle hand Bild
Andrew (DeHaan) greift nach der Welt und wirkt beängstigend.

Trotz ewig gleich portraitierter Highschoolwelt, macht CHRONICLE zwar leise aber von Anfang an ganz unprätentiös klar, dass Andrew ein ewiger Außenseiter bleiben muss – was einen tiefen Schatten über die ganze Geschichte wirft. Hier herrscht kein verklärter Heroismus und es wird auch nicht der neuen Partytauglichkeit gefrönt. Das Problem ist der Kopf, der Gedanke, das Wissen. Andrew kann nie mehr unbedarft sein und auch seine neuen Freunde können ihm die Unschuld nicht zurückgeben. Die Story, die CHRONICLE spinnt, um dies zu erzählen, ist etwas unbeholfen und einfallslos. Die Stimmung jedoch geht durch Mark und Bein und schon bald identifiziert sich der Zuschauer mehr mit Matt denn mit Andrew, der als Opfer beginnt und über den Selbstschutz nolens volens selbst zum Gewalttäter wird, womit er die neue Freundschaft mit seinen mächtigen Kräften ans Limit treibt.

chronicle dach Bild
Für manche toll, für andere oll: Steve (Jordan) ist begeistert, dass Andrew die Kamera frei schweben lassen kann.

Das im Found Footage Stil gedrehte Drama erzählt sich hauptsächlich mit der Kamera, die Andrew bei jeder Gelegenheit mit sich herumschleppt, um eine schützende Distanz zwischen sich und sein kümmerliches Leben zu bringen. Für den Plot wäre dies jedoch nicht nötig gewesen, führt zu sehr vermeidbaren und auch langweiligen Komplikationen und wird letzten Endes doch nicht immer konsequent durchgeführt. Wohl ließen sich so nicht ganz kinotaugliche Effektorgien besser kaschieren, aber der Film wurde ohnehin mit recht großem Aufwand realisiert und wartet auch mit einigen atemberaubend schönen Flugaufnahmen auf. Neben der dennoch oft verschwendeten Visualisierung bleibt zu bedauern, dass die erste Hälfte des Films bereits im Trailer erzählt wurde und daher wenig mitreißend wirkt. Das wahrlich Überraschende in CHRONICLE ist hingegen der Regen, die Dunkelheit, die abgeschrammten, hölzernen Pfosten von Andrews Bett sowie die gesamte Ausstattung seines Elternhauses, was sehr beklemmend und unverfälscht wirkt. Die Überraschung, das ist das Stechen im Bauch, für das ein schonungsloser Antiheld sorgt wie ihn heutzutage kaum ein Film zu zeigen wagt. CHRONICLE hat zwar auch friedliche Momente, doch praktisch immer schwingt die Erwartung eines Unheils mit. Trotz jugendlicher Handlung und großen Träumen von Superkräften bleibt der Film zwischenmenschlich allzu menschlich – und konfrontiert Feel Good mit Feel Bad. Zwar wurde das Thema der gefallenen Superhelden und ihrer dunklen Seite schon unzählige Male verfilmt, doch CHRONICLE tut dies viel unmittelbarer und banaler, so dass selbst der wahr gewordene Traum vom Fliegen in der unfairen Wirklichkeit stecken bleibt.

chronicle höhle Bild
Da lauert was, tief unten drin – in jedem von uns. Matt (Russel) und der Rest des Trios.

Ähnliche Filme:

Klass, Jumper

Information:

USA, Großbritannien 2012

Dauer: 84 Minuten

FSK: 12

Regie: Josh Trank

Drehbuch: Max Landis

DoP: Matthew Jensen

Darsteller: Michael B. Jordan, Michael Kelly, Dane DeHaan, Ashley Hinshaw, Alex Russell, Anna Wood, Joe Vaz, Matthew Dylan Roberts, Luke Tyler

Genre: Drama, Science-Fiction, Fantasy

Im Kino: 19.04.2012

Im Web:

Chronicle in der IMDb

Bilder und Trailer zur Filmkritik von Chronicle auf der offiziellen Website

Copyright Bilder und Trailer: 20th Century Fox

Nach oben scrollen