Gutmenschliche Christen Tragödie, die bemüht ist, kein Märtyrertum zu propagieren, sich aber dennoch genüsslich darin ergeht und trotz vorgegebener Objektivität ihre Vorurteile nicht verbergen kann.
VON MENSCHEN UND GÖTTERN ist langsam und umherschweifend. Zu Begin kann man gleich gar nicht ausmachen, worum es denn gehen solle, geschweige denn, wer hier eine Rolle spielt. Ist es der junge Mann, den wir auf seinem Marsch durch das kleine algerische Bergdorf begleiten, die junge Mutter mit ihrem Kind, die sich über neue Schuhe freut, der alte Bruder Luc (Michael Lonsdale) mit der Strickjacke oder vielleicht doch das junge Mädchen, das wohl bald gegen ihren Willen verheiratet wird? Später wird klar, dass es um alle geht und um keinen. Denn der Film will Menschlichkeit erforschen, mit der Taktik, überall und nirgendwo hin zu blicken – ganz objektiv also.
Die kleine Gemeinde französischer Mönche im Atlasgebirge Algeriens betreibt Landwirtschaft, versorgt die Dorfbewohner medizinisch, studiert Christentum und Islam und gerät zwischen die Fronten des Militärs und der fanatisch, islamistischen Rebellen. Dafür, dass die Mönche so abgeschieden und unaufdringlich sein wollen, geraten sie bald ganz schön ins Zentrum des Konflikts. Erst wollen die Mönche fliehen, dann entscheiden sie sich selbstlos zu bleiben, dann werden sie von der Regierung gedrängt zu gehen und schließlich rücken ihnen die Rebellen auch auf den Leib.
Nach einer wahren Geschichte wird hier erzählt, so heißt es, aber was ist schon wahr an Geschichten? Wahr sind nur die bitteren Fakten; und Film, ja Film ist noch eine ganz andere Geschichte. Die Mönche jedenfalls sehen sich sprichwörtlich als Baum, auf dem sich die Vögel niederlassen können. Als Vögel gelten dann schon mal die islamistischen Dorfbewohner, die den Mönchen alle sagenhaft dankbar sind und sie um nichts auf der Welt verlieren möchten – wahrlich komische Vögel, die Islamisten, die nicht ohne die Christen können. Ein Schelm, wem hier Bevormundung wähnt, schließlich unterlassen es die Mönche nicht in ihren Briefen und Gedanken zu beteuern, wie sehr sie Land und Leute lieben. Schließlich entscheiden sie sich gar, trotz größter Gefahr, bei den Dorfbewohnern zu bleiben, denn der Schäfer verlässt seine Herde nicht, wenn Gefahr droht. Aber jedes weitere christliche Gleichnis, jede Metapher und jedes Bild, mit dem der Film aufwartet, um die schwere Probe, auf die die Mönche gestellt werden, zu illustrieren, macht deutlicher, wie voreingenommen christlich dieser Film ist und wie schwer diese latente Arroganz wiegt, die gegenüber dem Islam immer mitschwingt.
Die Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe zwischen Islamisten und Christen ist in diesem Film einfach zu makellos. Auf dem Fest der Beschneidung beispielsweise entsteht fast schon der Eindruck, alle hätten nur auf die Mönche gewartet. Dann sind die Freunde der Mönche freilich alle entsetzt, wie fanatisch manche ihrer Glaubensbrüder vorgehen und schließlich ergeht sich der Rebellenanführer den Mönchen gegenüber in einer Geste, die aus einem Disney Film zu stammen scheint. Dabei ist dem Film nicht etwa nur seine Friede Freude Eierkuchen Attitüde vorzuwerfen, viel schlimmer ist, dass immer der Eindruck erweckt wird, als wollten all diese Menschen eigentlich Christen sein, sie wissen nur noch nichts davon: Das arme Mädchen, das verheiratet werden soll, die Dorfältesten, die den Mönchen das Gefühl geben das Zentrum ihrer Welt zu sein, all die Kranken und Bedürftigen, die von den Mönchen versorgt werden usw. Aber auch den Rebellen und dem Militär wird eine Lektion in Menschlichkeit erteilt, und die menschlichste ist freilich immer die christliche. Bruder Luc sinniert einmal Pascal zitierend, dass die Menschen, wenn sie Böses in religiöser Überzeugung tun, immer am leidenschaftlichsten sind. Vielleicht hat er recht, aber warum denkt keiner darüber nach was eigentlich böse ist und wer das Recht hat es zu definieren. Aber das hat der Film nicht nötig, er weiß es ohnehin von vornherein.
Spätestens die gegen Ende des Films verlesenen Worte von Bruder Christian (Lambert Wilson), wo er sich fragt, wie wohl Gott seine Kinder des Islam sieht, legen nahe, wie es mit der angeblichen Gleichberechtigung vor Gott wirklich aussieht: Wäre sie gegeben, wäre diese Frage unnötig.
Insgesamt ist der Film nicht selten zu bedächtig, wartet mit Unmengen von choralem Gesang auf und scheint dramaturgisch das Konzept zu verfolgen, den schweren Weg des reinen Menschen zu illustrieren, wobei es mehr um Moral als um Spannung geht. Dabei wird aber nicht aktiv moralisiert sondern in Gandhi Manier mit Zurückhaltung und Demut penetriert. Es gibt aber auch schöne, besinnliche Momente, in denen die Gedanken schweifen dürfen und glücklicherweise wird von einem pathetischen Ende abgesehen. Tschaikowskis Schwanensee jedoch wäre besser in BLACK SWAN geblieben.
Information:
Großer Preis der Jury 2010 Cannes
Engl. Titel: Of Gods and Men
Frankreich 2010
Dauer: 122 Minuten
Regie: Xavier Beauvois
Drehbuch: Xavier Beauvois, Etienne Comar
DoP: Caroline Champetier
Schnitt: Marie-Julie Maille
Darsteller: Lambert Wilson, Michael Londsdale, Olivier Rabourdin, Philippe Laudenbach, Jacques Herlin, Loïc Pichon, Xavier Maly, Jean-Marie Frin
Genre: Drama, Psychothriller
Im Kino ab: 16.12.2010
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