Die Abenteuer von Tim und Struppi: Das Geheimnis der Einhorn (2011)

Tim und Struppi Film PosterComputeranimierte Wirklichkeit: TIM UND STRUPPI bewegt sich zwischen Foto- und Hyperrealismus und bietet Kleinen großes Kino.

Wo vormals von Motion Capturing die Rede war, wenn mittels Trackingpoints auf Anzügen die Bewegung von Schauspielern eingefangen wurde, um sie auf ihre animierten Pendants zu übertragen, so soll wohl der neue Begriff des Performance Capturing (Presseheft) bei Tim und Struppi die Leistung des verblassenden Schauspielers ebenso würdigen, wie den Umstand, dass Bewegung so viel mehr ist als nur Vektoren in der Zeit. Dafür bedarf es aber eigentlich keiner Vertauschung der Begriffe. Bewegung ist Leben – ein Wissen, das Kinder intuitiv, Philosophen intellektuell und Wissenschaftler empirisch seit jeher haben. Sie zu übertragen, heißt die Aufführung des Lebens zu übertragen – doch ist dies Regisseur Spielberg und Produzent Jackson wirklich gelungen?

Tim und Struppi Haddock Tim Bild
Hyperrealismus nennt es Spielberg: Fast-Realität aus dem Computer

Im aktuellen Tim und Struppi Film verweben die Drehbuchautoren gleich drei Folgen des beliebten Comics von Hergé zu einer Geschichte. Die Weisheit, dass weniger manchmal mehr ist, passt so gar nicht zum Konzept des in jeder Hinsicht überbordenden Spektakels. Die Folge ist ein rasanter Film voller imposanter Drehorte (man denkt dabei an richtige Orte), wuchtiger Musik, Slapstick, Action und all den unmöglichen Bildern, die man aus Comics kennt, die nun aber fast so aussehen, als wären sie wirklich gedreht worden, was physikalisch auf immer unmöglich bleiben wird. Obendrein präsentiert sich der Film in 3D, was gerade bei Computerszenen mit verhältnismäßig wenig Aufwand umgesetzt werden kann. Und vielleicht zeigen sich gerade hier die Grenzen von 3D, denn wo in Realfilmen nach wie vor von mäßigen Effekten der schwer zu filmenden, dritten Dimension die Rede ist, kann

Tim und Struppi Sakharin Bild
Wer hat Angst vor Daniel Craig? Sakharin (links) lässt Craig nicht wirklich durchblicken.

hier die Technik nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass der Film im Tiefenerlebnis nicht vom Hocker reißt. Meist ist es nur der ferne Hintergrund, der sich – zugegebenermaßen — hübsch abgrenzen lässt. Aber in Momenten, wo die Kamera ein ums andere mal von wütenden Autos überrollt wird und sich nur durch ein Versenken im Boden retten kann, ist es die grenzenlose Möglichkeit der Computerkamera, die für ein Wow-Erlebnis sorgt — und nicht die Plastizität der Objekte.

Die unzähligen Momente voll körperbezogener Komik und Action erinnern an Filme wie ICE AGE, zerstören jedoch auch

Tim und Struppi Motorrad Bild
Überschlagen sich mit rasanter Action aberwitziger Bilder: Tim und Haddock auf der Jagd.

in ihrer Übermäßigkeit den Feinsinn der Abenteuergeschichte. Zwar sind alle Zutaten vorhanden, um eine Stimmung wie einst in INDIANA JONES aufkommen zu lassen, nur macht das reine Ausstellen märchenhafter Orte und rätselhafter Objekte noch keine Dramaturgie. Eher schon Magie, wie die zahllosen Szenenübergängen: Da verwandelt sich etwa der große Ozean vor dem staunenden Auge in eine kleine Stadtpfütze. FLUCH DER KARIBIK Feeling kommt schließlich auch noch auf, denn die Geschichte springt in der Zeit. Tim (bewegt von Jamie Bell), der dem Geheimnis eines alten Segelschiffes auf der Spur ist, begibt sich mit Kapitän Haddock (Andy Serkis) nicht nur auf eine Reise um die halbe Welt, sondern auch in die Vergangenheit, wo der Pirat Rackham der Rote sein Unwesen treibt. Gemeinsam mit Struppi und den Detektiven Schulze & Schultze (bewegt von Nick Frost und Simon Pegg) suchen die Freunde das alte Segelschiff, doch Bösewicht Sakharin (bewegt von Daniel Craig) ist ihnen stets einen Schritt voraus.

Tim und Struppi Schulze & Schultze Bild
Wer ist Pegg und wer Frost? Chaotenduo Schulz & Schultze helfen Tim - ein wenig.

Vergleicht man nun den Pegg und den Frost der Wirklichkeit mit ihrem jeweils animierten Widerpart, so stellt sich die Frage, warum um alles in der Welt ein physisch derart konträres Duo ein Zwillingspaar spielen soll? Bewegung findet nie unabhängig vom Körper statt, der beleibte Frost durchschreitet Raum und Zeit keineswegs wie der schmächtige Pegg. Von diesem Unterschied ist jedoch bei Schulze & Schultze eben so wenig zu sehen wie von Daniel Craig bei Sakharin. Wie viel von Belle in Tim steckt ist schwer zu sagen, denn die Bewegungen der Figur sind oft stilisiert. Dem Aussehen nach gleicht er jedenfalls mehr Jude Law. Einzig Serki’s Haddock wirkt unglaublich echt – ob das an seinem zweifellos reichlichen Schatz an Motion-Capture-Erfahrungen und somit an seiner angepassten Bewegung liegt? DIE ABENTEUER VON TIM UND STRUPPI überträgt nur vielleicht die Bewegung der Schauspieler in die Animationswelt. Trotzdem ist er vor allem ein sehenswerter Film, der gelungen und sogar selbstreferenziell mit optischen Reizen spielt und jüngeres Publikum bestimmt begeistern kann, wohingegen Ältere staunen dürfen.

Ähnliche Filme:

Indiana Jones, Ice Age, Fluch der Karibik, Final Fantasy: Die Mächte in Dir

Information:

Engl. Titel: The Adventures of Tintin: The Secret of the Unicorn

USA, Neuseeland, Belgien 2011

Dauer: 107 Minuten

FSK: 6

Regie: Steven Spielberg

Drehbuch: Steven Moffat, Edgar Wright, Joe Cornish

Basierend auf den Tim & Struppi-Comics Die Krabbe mit den goldenen Scheren, Das Geheimnsi der Einhorn und Der Schatz Rackham des Roten von: Hergé

DoP: Janusz Kaminski

Musik: John Williams

Darsteller: Jamie Bell, Daniel Craig, Simon Pegg, Nick Frost, Andy Serkis, Gad Elmaleh, Toby Jones, Tony Curran, Mackenzie Crook, Cary Elwes, Daniel Mays, Mark Ivanir

Genre: Drama

Im Kino: 27.10.2011

Im Web:

Die Abenteuer von Tim und Struppi in der IMDb

Bilder und Trailer zur Filmkritik von Die Abenteuer von Tim und Struppi auf der offiziellen Website  

Copyright Bilder und Trailer: Sony Entertainment

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