Nader und Simin – Eine Trennung (2011)

Nader und SiminSchlimmer Film, der die Absicht ein soziales und familiäres Drama zu beschreiben fast schon zu gut umsetzt und das Unbehagen bis zum Bauchschmerz treibt. Deswegen ein guter Film, der zwar  ähnlich wenig Freude bereitet wie BIUTIFUL aber von der Inszenierung überzeugt und nachdenklich stimmt.

Eine Trennung, so verkündet es der Titel, zwischen Nader und Simin. Von dem was Nader und Simin verbindet ist hingegen vordergründig nicht viel zu sehen, der Film beginnt beim Scheidungsrichter. Ein Trennungsdrama stellt man sich trotzdem anders vor. Die Trennung selbst wird in NADER UND SIMIN überlagert von einer Reihe anderer Konflikte, die zwar irgendwie darauf hinweisen, warum es mit den beiden nicht klappt, eigentlich aber ganz andere Gedanken auf den Plan rufen. Der Film dreht sich vor allem um Wahrheit und Gerechtigkeit, wobei sich das Publikum glücklich schätzen darf vom Thema Altenpflege nur gestreift zu werden. Dies aber reicht Regisseur Asghar Farhadi schon, um das Herz ganz tief in die Hose sinken zu lassen, selbst wenn das Thema nicht durch islamische Gesetze verschärft würde. Gepflegt wird der Vater von Nader (Peyman Moaadi), der nichts mehr mitbekommt und sich in die Hosen macht. Simin (Leila Hatami) hat es satt, dass ihr Mann an seinem Vater festhält und will lieber mit ihm den Iran verlassen, zusammen mit der gemeinsamen Tochter Termeh (Sarina Farhadi). Die Visa sind schon ausgestellt, doch Nader weigert sich zu gehen und Therme entschließt sich beim Vater zu bleiben. Ob dies der einzige Grund ist, weswegen Simin nicht geht? Am liebsten wäre sie von Nader begleitet worden. Alles wofür Nader steht ist auch alles wofür der Iran steht: Dickköpfigkeit, Selbstgerechtigkeit, Lüge – aber eben auch Ideale und Aufopferungsbereitschaft.

Die Trennung zwischen Simin und Nader ist schließlich keine andere, als die Trennung einer Frau von ihrem Heimatland, nur darf dieses Thema nicht verhandelt werden. Vielleicht um der Zensur Genüge zu tun, bestimmt aber auch aus Weitsicht und aus Liebe für das Land, werden die Knackpunkte der Kontroverse über einen Fall ausdiskutiert, der dem Zuschauer Einblick in einen armen, modernen, islamischen und stets mit gelassener Weisheit gezeichneten Iran gibt. Es gibt keinen bösen Aggressor und keine Unterdrückung, nur Leid. Stattdessen geht es um einen Sturz der Pflegehilfe (Sareh Bayat) auf der Treppe, an dem Nader nicht ganz unschuldig zu sein scheint. Ihm droht Gefängnis, der Verlust von Geld und Ehre. Die Familie der gegnerischen Partei ist fromm, bettelarm und kämpft ebenso erbittert um ihr Recht, wie Nader für seine Unschuld. NADER UND SIMIN enttarnt Gerechtigkeit jedoch als ideale Rechnung, die mit der Wirklichkeit wenig gemein hat und selbst dann, wenn alle Lügen ausgeräumt sind, zu keinem befriedigenden Ergebnis führt. Dabei liegt der Idealismus nicht im Staat sondern vielmehr in den Bewohner dieses Staates selbst, die der Film gründlich durchwühlt.

Auch in vielen Bollywoodfilmen, die stets im familiären Umfeld agieren, ist die Trennung ein großes Thema. Doch diese beschwingten Filme versuchen stets die Trennung zwischen westlicher Moderne mit individuellem Glück und indischer Tradition mitsamt familiärer Pflicht zu überwinden. Simin scheint das Gegenteil zu wollen. Einige logisch- dramaturgische Schlaglöcher ihrer Figurenzeichnung deuten an, dass diese Person mehr allegorisch zu sehen ist, wie alle anderen auch. Aber auch die Zeichen, die der Film verwendet, sind kein politisches Statement, sondern vielmehr ein philosophischer Seufzer im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit und Familie. Zweimal jedoch wird der Film doch politisch. Die Titel der Eröffnungssequenz werden gezeigt als das Kopieren von Pässen der Beteiligten, was die Ausgangslage der Filmemacher unmissverständlich deutlich macht. Ganz am Ende fällt erneut eine politische Entscheidung, die nicht für die Ohren von Nader und Simin gedacht ist, aber doch über sie urteilt. Es ist aber nicht das Gericht, das entscheidet, sondern die Tränen, die ob der Einsicht vergossen wurden, dass Glauben keine Gerechtigkeit bringt. Ein rundum sehenswerter und bemerkenswert inszenierter Film, der vielleicht ein klein wenig darunter leidet, dass allzuviele „subtile“ Zeichen zum Thema Islam zusammengepresst wurden, was den Film etwas Natürlichkeit kostet.

Ähnliche Filme:

Biutiful, Esmas Geheimnis – Grbavica

Information:

Iran. Titel: Jodaeiye Nader az Simin

Iran 2011

Dauer: 123 Minuten

Regie: Asghar Farhadi

Drehbuch: Asghar Farhadi

DoP: Mahmoud Kalari

Musik: Sattar Oraki

Darsteller: Sareh Bayat, Sarina Farhadi, Leila Hatami, Kimia Hosseini, Shahab Hosseini, Babak Karimi, Peyman Moaadi

Genre: Drama

Im Kino ab: 14.07.2011

Im Web:

Nader und Simin in der IMDb

Bilder und Trailer zur Filmkritik von Nader und Simin auf der offiziellen Website 

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