Filmgeschichtliches Lehrstück: Viel heiße Luft ohne fesselnden Ballon.
Zu sagen in HUGO CABRET treibe sich ein kleiner Junge im abenteuerlich mechanisierten Zwischengemäuer eines stattlichen und vor optischen Reizen überbordenden Pariser Bahnhofs der 30er Jahre herum, wäre untertrieben. Würde man den Bahnhof als Ganzes als Theater der Attraktionen betrachten, als Vaudeville und Abenteuerspielplatz erster Güte, so reichte dies schon näher an das heran , was Scorsese materiell und virtuell errichten lies, um seiner Vision des Kinos gerecht zu werden. Seiner Vision wohlgemerkt, nicht seiner Version. Vergleicht man den Mythos des Kinos, wie ihn Scorsese in HUGO CABARET explizit beschreibt und irgendwie hohl heraufzubeschwören versucht mit dem tatsächlichen Mythos vieler seiner Filme, so könnte man meinen ein wilder Stier hätte sich einen Zylinder aufgesetzt und Tanzschuhe angezogen, um auf dem glitzernden Parkett des „Ach so schön, ach so magisch, ach du liebes Kino“ eine schlechte Figur zu machen und etwas gestelzt durch das Drehbuch zu stolpern. Zwangsläufig stellt sich die Frage:
War Scorsese jemals magisch?
Der Waisenjunge Hugo (Asa Butterfield) interessiert sich für zwei Dinge: Menschen beobachten und Zahnräder. In seinem Heim, das so künstlich und echt wie die fotorealistische Umsetzung einer Pixar Animation aussieht, schraubt er an einem mechanischen Menschen. Hierfür muss er Ersatzteile aus dem kleinen Bahnhofsladen von George (Ben Kingsley) klauen, doch der erwischt ihn auf frischer Tat. Um dem Ganzen etwas Pfeffer zu geben, werden halbseidene, dramatische Konflikte konstruiert, denen es spürbar an Zug fehlt. Das an sich tadellose und der Märchenwelt angepasste Spiel von Kingsley, Butterfieled und Chloë Grace Moretz hängt deshalb stellenweise in der Luft, was durch den außergewöhnlich sparsamen Soundtrack in emotionalen Momenten noch verstärkt wird. Einzig der Stationsvorsteher (Sacha Baron Cohen) kann mit seiner schrägen Körperlichkeit voll überzeugen und passt in den Film wie Johnny Depp zu Tim Burton.
Viel von dem heraufbeschworenen Abenteuer der Kinder findet nur in Worten statt, die in der höchst beeindruckend gefilmten Kulissen-Computer-3D Welt von HUGO CABRET jedoch keinen Widerhall finden. Zwischen Steadycam und traumhafter Ausstattung, dampfender Luft und verdeckter Schnitte, perfektionierten 3D Kompositionen und magischem Licht – ja zwischen all dem findet sich nur die Idee des magischen Kinos, seine Dokumentation vielleicht und die Aufzählung seiner Mittel, nicht aber das Abenteuer selbst. So verlässt ein Zuschauer mit gesenktem Haupt den Kinosaal, den Film als lahm bezeichnend aber seine Partnerin immerhin darauf hinweisend, dass es den einen alten Film mit dem Mond und der Rakete, der in HUGO CABRET auftaucht und eine große Rolle spielt, wohl wirklich gäbe. Nicht wissend, dass all die Filme, die in fast schon lehrhaftem Duktus durch HUGO CABRET geschleust werden nichts anderes
Copyright Bilder und Trailer: Paramount