Der Automat Mensch

Von der Matrix Film-Trilogie inspirierte Theorie zur automatischen Funktionsweise von Lebewesen, deren Entwicklung und die daraus folgenden Konsequenzen für den Menschen.

Hausarbeit Christopher Haug 2004, FU Berlin, Theaterwissenschaft

Gliederung

Einleitung

1. Einleitende Erklärungen

2. Zum Automaten

3. Das Materie – Geist System und die Entstehung der Automaten mit der Annahme einer emergenten Intelligenz

4. Überlegungen zu Matrix

4.1. Von der Möglichkeit

4.2. Das Prinzip Gott

4.3. Matrix – Gott?

4.3.1. Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit.
4.3.2. Sind gar keine wirklichen Veränderungen möglich?

5. Zufall – Ein Appell an Alle

Warum diese Theorie

Exkurse:

1.Freiheit

2. Menschen als Batterien

3. Gefühle und andere Paradoxien

Einleitung

2001 bis 2003 erwartete jeden Winter einer der drei Matrix Filme die Zuschauer in den Kinosälen, um ihnen sukzessive klarzumachen, dass nichts so ist wie es scheint aber alles so bleibt wie es ist, es sei denn, es wird geändert, was aber nicht viel ändert…

Nachfolgende Arbeit widmet sich dem Gedanken, dass künstliche Intelligenz tatsächlich als neues Leben, äquivalent zum menschlichen Leben, aus komplexen Programmen und logischen Rechenoperationen entstehen kann, wie es die Matrix Filme nahe legen. Dabei geht es aber weniger um die intelligenten Maschinen die entstehen, sondern ähnlich wie in Matrix, um die Menschen und wie diese verstanden werden können, in einer Welt, die den Zauber des Lebens letztendlich aus Nullen und Einsen schöpft – nicht nur für die Maschinen. Der Mensch ist ein Automat, soll die zentrale These lauten. Auf der Indiziensuche hierfür bleibt zu klären, wie sich die Welt/der Mensch als Automat entwickeln konnte. Es wird folglich von mir eine Theorie entwickelt, die den Mensch als Automaten erklärt und sich auch in Konfrontation mit Schlüsselbegriffen des „menschlichen“, wie Freiheit, Gefühle, Glauben usw. behaupten soll. Diese Theorie will erstens nicht wahr oder allgemeingültig sein und zweitens nicht wissenschaftlich. Was sie dennoch bringt ist ein Nachdenken über existentielle Fragen des Mensch-Seins. Dass diese Arbeit nicht wissenschaftlich ist, gereicht ihr bestimmt zum Nachteil, zumal sie für die Universität angefertigt wurde. Aber diese Gedanken zu verfolgen könnte bestenfalls als existenzphilosophischer Akt beschrieben werden, was einerseits zu schwerwiegend für diesen kleinen Text klingt und andererseits mit Wissenschaftlichkeit genauso wenig am Hut hat. Also ist es einfach ein Text, und er bringt, was sie herausholen. Die These lautet, um es noch einmal deutlich zu sagen: Wenn Menschen künstliches Leben/Menschen schaffen können, wird sich zeigen, dass Menschen selbst auch „nur“ Automaten sind. Diese These soll nicht bewiesen, sondern eher geprüft/mit Argumenten unterlegt und mit einer nachvollziehbaren Entwicklungslinie ausgestattet werden.

1. Einleitende Erklärungen

Um vielen Wirren zu entgehen, muss diese Arbeit hinsichtlich der Matrix Trilogie eine entscheidende Annahme machen: Die Maschinen mit künstlicher Intelligenz in Matrix sind „vollkommene“ Automaten ohne jeglichen Zufall, d.h. determiniert, wie auch derzeitige Computerprogramme. Das dennoch die Matrix Welt nicht genau vorhersehbar ist liegt daran, dass alle Materie nicht determiniert ist, was selbst das Material aus dem die Maschinen bestehen einschließt. Ich gehe also davon aus, dass die aus der Quantenmechanik hervorgegangene Schrödinger Gleichung sowie die Heisenbergsche Unschärferelation Gültigkeit haben. Folglich kann Bewegung und Werden nur nach Wahrscheinlichkeiten berechnet werden, exakte Voraussagen sind unmöglich. Das nun die Maschinen vollkommen determiniert sind ist so zu verstehen, das ihr Geist, oder im übertragenen Sinne die Energie bzw. das Licht, welches in ihnen fließt, eindeutige Gesetze befolgt. Der eigentliche Maschinen Automat ist somit metaphysisch, nicht materiell, nicht sinnlich wahrnehmbar.

Ein entscheidendes Indiz hierfür, ist die nicht-sinnliche Wahrnehmung Neos, nachdem dieser erblindet ist. Er kann Materie als solche nicht mehr erkennen, aber er „sieht“ Energie in Form von Licht, die besonders geballt in der Maschinenstadt auftritt.

Geht man nun davon aus, dass diese vollkommenen Automaten intelligente Lebensformen bilden, stellt sich die Frage, inwieweit der Mensch selbst nicht nach solch einem Muster erschaffen ist bzw. ähnlich Prinzipien folgt. Also mache ich die Annahme, auch der Geist des Menschen funktioniere wie ein vollkommener Automat. Ich wähle diese Annahme, weil sie zum einen viel gemein hat mit der Leibnizschen Monadenlehrer, welche mir sehr plausibel erscheint, zum anderen, weil sie den Mensch als Automat sehr stark mit dem Maschinenautomat vernetzt, was mir in Matrix gegeben scheint. In Abgrenzung zu Leibniz bleibt festzuhalten, dass es in dieser Annahme keinen Gott geben wird, dass der Geist analog zu den heutigen, komplex funktionierenden  Maschinen gesehen werden soll, also im binären System und dass es keine Einheit, wie etwa die unteilbare Monade geben wird, sondern immer nur eine Vielheit1. Suchte man nach einer Erklärung für den Ursprung eins solchen Modells, so bliebe mir nichts anderes übrig als zu sagen, es entstand buchstäblich aus dem Nichts. Wie Worte nur durch Worte beschrieben werden können, weil sie ein System der Abhängigkeit bilden, gibt es kein Plus ohne Minus und keine Ordnung ohne Zufall. Deswegen sehe ich auch keine Möglichkeit, dass Sein ohne Nicht-Sein möglich ist. Das Sein ist eigentlich die Materie, das Nicht-Sein der Geist.

2. Zum Automaten

Eine autonom funktionierende Maschine, die nicht wie bei Leibniz von Gott geprägt wurde, sondern sich selbst aus dem Zufall heraus programmierte. Allerdings bilden auch diese Automaten theoretisch (siehe Fußnote 1) eine (kleinste) Einheit, ähnlich einer Monade. Sie bestehen eigentlich nur aus einem Code, materielos, zeitlos, ausdehnungslos. Dieser Code ist Informationsverarbeitungsanleitung. Jeder Automat entwickelt sich selbst unter den jeweiligen Bedingungen, die er durch seine Umwelt erfährt individuell, die Art und Weiße jedoch wie die Programmierung erfolgt, ist immer auf diesen einen Code zurückzuführen. Die Information ist folglich verschieden, der Kern der Informationsverarbeitung ist aber der gleiche in allen Automaten, es ist der Code oder die Art des Geistes, später werde ich es auch Form nennen. Materie kann nicht vom Geist getrennt werden, somit kann der Automat nie rein metaphysisch sein. Ich behandle und benenne ihn nur der Einfachheit halber so, weil der determinierte Automatismus eben nur im Geistigen vorherrscht, der ganze Automat mitsamt Materie aber ein Zusammenspiel aus Zufall und berechenbarer Ordnung darstellt, also nicht komplett autonom funktioniert. Man könnte es auch zufälligen oder nicht – einheitlichen Automaten nennen.

3. Das Materie – Geist System und die Entstehung der Automaten

mit der Annahme einer emergenten Intelligenz

Materie                                                                                                               Geist
Zufall

Zufällige Interaktion

Schafft Ordnungen

(Wahrscheinlichkeiten)

sinnliche wahrnehmbares

„Wissen“

Ordnung

Ordnung 1

stiftet Sinn

1+1 = 2

Zufällige Interaktion

Schafft Unordnung

geistiger Sinn

„Gefühl“

Möglichkeit

macht Streben

nach Sinn

1+1 = 5

Zum Schema:

Der Geist ordnet zufällig sich bewegende oder Wahrscheinlichkeiten folgende Materie in Ordnungen, welche absolut sind. Eigentlich wird lediglich Bewegung verarbeitet, denn Materie selbst zeichnet sich für den Geist nur durch seine charakteristische Bewegung und Bewegungszusammenhänge aus. Die Ordnung des Geistes ist eine feststehende oder Stillstehende, ohne Ausdehnung und Zeit, sie ist somit vollkommen. Allerdings ist sie nicht „richtig“. Die Ordnung der Newtonschen Mechanik beispielsweise funktioniert sehr gut, sie ist absolut, vollkommen, fehlerlos, nur sie stimmt nicht mit der Wirklichkeit überein, mit der Materie. Materie kann nie vollkommen geordnet werden, bleibt immer dem Zufall bzw. etwas Unbekanntem unterworfen. Der Geist hingegen ist hinsichtlich seiner Ordnungen, die er erstellt, vollkommen. Dabei verwendet er, um nun auf unsere Annahme der emergenten Intelligenz analog zu Matrix zu kommen, ein Werkzeug, welches ihn immer wieder anleitet Ordnungen zu schaffen: Etwas ist entweder Null oder Eins. Es kann nicht beides sein, es kann nicht keines sein (Diese Informationsverarbeitungsanleitung wurde aufgrund des Themas der Hausarbeit so gewählt, sie könnte aber durchaus anders lauten. Gehen wir einfach davon aus, sie sei tatsächlich das Sinnvollste, was zufällige Materieanordnungen hervorbringen und gleichzeitig, das ist ja unbestritten, logisch, vollkommen und determiniert). Es kann aber weiter spezifiziert werden mit weiteren Nullen und Einsen. So werden immer unbewegte Zustände beschrieben, die sich zwar ändern, aber nicht kontinuierlich. Das gleiche finden wir bei der Materie wieder: Die Veränderung findet in Sprüngen, nicht kontinuierlich statt.

Immer wenn die vom Geist verwendete Ordnung von der Materie ad absurdum geführt wird, kann man von einer Variablen sprechen, die sich in die Gleichung schmuggelt, ohne Null oder Eins zu sein. Die Ordnung stimmt nicht mehr und muss durch Improvisation bzw. Gefühl ausgeglichen werden (näheres hierzu später).

Da der Geist die Suche nach Ordnung an sich ist, verläuft Ordnen automatisch. Die Ordnung ist wie ein Sinn. Der Antrieb diesen Sinn immer wieder zu finden, ist die Veränderung durch Zufall, Neues/Unbekanntes – die Möglichkeit.

Die Interaktion Geist – Materie findet schon immer, bevor spezielle Sinne hierfür ausgebildet werden, statt, denn Geist ist letztendlich nichts weiter als eine komplexe Anordnung von Materie, welche sozusagen aus der Eigendynamik ihrer komplexen Form Geistiges als emergentes Phänomen entwickelt hat. (Die Form ist Geist, sie wird je nach  äußerem Zustand und bereits gegebener Form geändert/ändert sich selbst. Sie kann sich also von sich aus weiter verändern, überlebt dann oder eben nicht. Weiter verändern bedeutet auch immer materielle Veränderung, Körper und Geist hängen zusammen.)

Man könnte meinen, vielleicht handelt es sich um ein Prinzip, welches schon der Materie zugrunde liegt und durch zufällige Anordnung eines Materiehaufens einen Automaten bildet, der im Laufe der Jahrtausende immer komplexer wurde.

Der Automat würde aber erst ab einem gewissen Grad an Komplexität ein Bewusstsein entwickeln, d.h. Selbstreflexivität, d.h. seine eigene Funktionsweise und Logik erforschen. Die Entwicklung bis zum Automaten mit Bewusstsein muss nun genauer betrachtet werden. Einerseits würde eine eingeschriebene Ordnung in jeder Materie genau vorschreiben, wie sich Materie verhalten, bzw. verändern muss, um die Entwicklung zum Bewusstsein zu erreichen. Andererseits gehen wir davon aus, dass die Veränderung der Materie letzten Endes zufällig verläuft. Deswegen glaube ich nicht, dass die Ordnung in der Materie bereits eingeschrieben ist und mache folgende Annahme: Dass Materie kulminiert und interagiert, bestimmt der Zufall. Durch Zufall formieren sich auch Ordnungen, die aber nie absolut sind, weil es die absolute materielle Ordnung nicht gibt. Innerhalb bestimmter zufälliger Ordnungen (eigentlich nur Wahrscheinlichkeiten), also Materieanhäufungen (z.B. Sonnensystem), welche ihre Formgebung gewissen Prinzipien verdankt, besteht die Möglichkeit, dass Materie sich so gut der Ordnung anpasst, so gut die Form der vorherrschenden Prinzipien erfüllt oder um es mit den Worten der Evolutionslehre auszudrücken, sich so angepasst entwickelt, dass sie in nahezu perfekter Symbiose mit den wirkenden Kräften/Energien steht, dass sie selbst Komplexe ausbildet, welche die „übergeordnete“ Ordnung in sich selbst widerspiegeln. Was bedeutet das? Es gibt Materie die sich zwar zufällig, aber doch mit gewisser Wahrscheinlichkeitsverteilung verändert, also nicht gänzlich voneinander unabhängig. Wie genau die Veränderung verläuft, kann nur wahrscheinlich bestimmt werden. Nun bildet sich nach gewissen Wahrscheinlichkeiten das Sonnensystem mit seinen uns bekannten und noch unbekannten physikalischen Eigenschaften. Im Sonnensystem der Planet Erde, in Abhängigkeit zu den Kräften des Sonnensystems, auf der Erde Pflanzen und Tiere usw., bis wir zum Menschen kommen. Jedes kleinere System steht in Abhängigkeit zum größeren, bewahrt sich aber dennoch eine gewisse Unabhängigkeit durch den Zufall, der alles Sein durchzieht. Dieses Spiel lässt sich unendlich ins Kleine, aber auch ins Große fortsetzen2. Wie entsteht nun der Geist?

Ein kleineres System welches sich dem größeren System nahezu perfekt (Perfektion bleibt unerreichbar, zum einen, weil in der Bewegung Perfektion ausgeschlossen ist, sie existiert nur im Stillstand, zum anderen, weil es ja den Zufall gibt) anpasst, und es muss sich anpassen um längerfristig existieren zu können, nähert sich immer mehr der Formel, welche das System am ehesten beschreibt. Dann bildet sich ein Wirkungskomplex, der irgendwann nicht nur die ihm zugrunde liegende Formel befolgt, sondern auch ihre Abweichungen „überlebt“. Sture Komplexe hätten keine Überlebenschance. Um dies zu bewerkstelligen benötigt der Komplex einerseits Rückmeldungen der ihm umgebenden Materie und seines Eigenverhaltens, die Sinne, und andererseits eine gewisse Improvisationsgabe, um mit den äußeren und inneren Zufällen bzw. allem Neuen und Unbekannten fertig zu werden. Diese Improvisationsgabe ist das Gefühl und es steht vor dem Bewusstsein. Wie soll man sich jetzt bewusstseinslose Materie mit Gefühl vorstellen?

Gefühl oder Improvisation ist nichts anderes, als die Einbindung einer sich stetig verändernden Variablen (Zufall, Neues) in eine Gleichung (Ordnung), dergestalt, dass die Gleichung sich ständig versucht auszutarieren. Es ist eine Dynamik, die Bewegung schlechthin, die nie still stehen kann. Die Variable passt nie in die Gleichung, sie schafft es aber auch nicht die Gleichung zu zerstören, genauso wenig wie sich die Gleichung endgültig der Variablen anpassen kann. Die Suche nach der richtigen Lösung wird nie Enden. Hierbei ist das Suchen nichts weiter als Überleben, dahinter steckt kein Wollen, es ist vielmehr ein aus dem Zufall geborener Automatismus. Der Geist muss Ordnung suchen, er ist ja simpel ausgedrückt die Suche der Ordnung. Wann setzt nun das Bewusstsein ein?

Tiere haben bis zu einem gewissen Grad die Gabe zur Improvisation, also Gefühl. Sie sind fähig sich anzupassen. In der Evolutionslehre spricht man von zufälligen Mutationen, welche manchen Arten das Überleben sichern. Diese Mutationen sind Formveränderungen der Materie als Anpassung auf alles, was aus dem Rahmen der Gleichung fällt, doch mit zunehmender Komplexität der Materie sind diese Formveränderungen immer weniger dem Zufall überlassen. Es gibt bereits Computerprogramme, denen man eine Art Lernfähigkeit zuschreibt. Sie stelzen beispielsweise in der Form von Robotern auf sechs Beinen durch die Gegend und erlernen Hindernisse zu überqueren. Dies funktioniert vor allem, weil sie einen Speicher haben, also Erinnerung, und weil ihnen die Programmierer eine Reihe von „Werkzeugen“ in Form von Algorithmen mitgegeben haben, anhand derer sie durch (nicht zufälliges) Ausprobieren zu den richtigen Ergebnissen kommen und sich diese dann merken. Das ganze funktioniert allerdings noch etwas ruppig. Jedoch lässt sich bereits herauslesen, dass gewisse Rechenoperationen den Zufall eingrenzen können. Der Zufall ist für die Maschine wie auch für den Menschen primär die Umwelt, für den Roboter also der Untergrund über den er läuft. Um das Hindernis zu überwinden kann er nicht auf Mutation hoffen, wie etwa, dass seine Kinder längere Beine bekommen o.ä., stattdessen geht er systematisch vor und kann, sofern er ordentlich programmiert wurde, sein Ziel erreichen.

Ein Tier funktioniert ähnlich. Der entscheidende Punkt ist, das es lernfähig ist, oder konditionierbar. Es verfügt also auch über eine Erinnerung. In dieser Erinnerung sammeln sich mit der Zeit alle möglichen Strategien des Überlebens. Wir haben also einen Wirkungskomplex von Materie, welcher improvisieren kann und dabei erinnert. Er kann zwar nicht wissen, was er tun muss, um in der nächsten Sekunde zu überleben, weiß nicht, was die nächste Sekunde bringt, aber er verfügt bereits über Strategien der Herangehensweise. Der Schritt von Wahrscheinlichkeitsgeleiteter Materie, welche sich über zufällige Anpassung einer Formel nähert und Improvisieren kann, zum erinnerungsfähigen Tier ist nicht so groß. Der Schlüssel liegt in der Form, denn Form und Inhalt dürfen nicht getrennt betrachtet werden. Erinnerung ist nichts weiter als Informationsspeicherung und diese findet sich auf materieller Seite in der Form wieder. Je komplexer die Form desto mehr Informationen sind in ihr enthalten. Es drängt sich nun zu aller erst der Gedanke an moderne Speichermedien auf, mit der obligatorischen Frage, wie und vor allem wer liest diese Informationen von der Form der Materie ab? Dies wäre aber einen Schritt zu weit gedacht. Die Materie passt sich in ihrer Form der zufällig entstandenen Ordnung oder dem System an, welches ich auch als Formel bezeichnet habe, und eine Formel ist ja auch Information. Anpassen heißt derart zu interagieren, dass das Überleben gesichert wird, die Form der Materie stellt sich also nicht der größeren Ordnung entgegen. „Abgetastet“ wird diese Form in der Interaktion der sich ständig bewegenden Materie. Materie liest Materie. Es gibt in diesem Stadium kein Subjekt und noch immer kein Bewusstsein. Strategien des Überlebens, um auf Neues oder auf Zufälle angepasst zu reagieren, sind demnach Improvisationen, die nicht mehr rein zufällig ablaufen, sondern zu aller erst aus dem bereits angelegten Fundus der Informationen in der Form, bzw. den Informationen der angenäherten Formel schöpfen (welche wiederum über Wahrscheinlichkeiten aber eben doch zufällig entstand). Dieser Wirkungskomplex oder dieses Wesen kann erinnern und improvisieren/fühlen, jedoch rein automatisch, ohne dabei zu denken. Man kann es sich so vorstellen: Ein Stück Kohle wird durch großen Druck zum Diamanten gepresst. Die Materie passt sich den äußeren Kräften an, findet eine Form, um in diesem System ihren Platz einzunehmen. Überleben bedeutet für Materie ja nicht plötzlich aufhören zu Sein, sondern die Form aufgeben und eine neue Form auszubilden. In der Form oder dem Aufbau des Diamanten findet sich also eine Lösung für Materie mit Kohlenstoff Eigenschaften besonders hohem Druck zu widerstehen. Aber der Diamant ist nach wie vor ein sehr simpler Wirkungskomplex, dem man nicht unbedingt Erinnerungsvermögen nachsagen möchte, auch wenn er Information speichert.

Ein Diamant ist anorganisch. Organische Materie, was wir Leben nennen, ist prinzipiell nichts anderes, nur dass die Bewegung der Materie durch die Form zu einer einheitlich erscheinenden, größeren Bewegung verschmilzt. Prinzipiell ist alle Materie bewegt, totalen Stillstand gibt es nicht in der Materie, selbst nicht bei Minus 273,15° C. Der Diamant beweist, dass auch anorganische Materie, sei es auch durch das Wirken enormer äußerer Kräfte, eine Bewegung und Fähigkeit zur Interaktion in sich trägt. Die Information der Form des Kohlenstoffes ist der Ausgang für die Wandlung zum Diamanten. Andere Materie würde anders reagieren, und genau das tut Kohlenstoff, wenn er zum Diamanten wird, er re-agiert, er ist nicht nur passiv. Damit will ich sagen, Kohlenstoff trägt bereits diverse Informationen in sich, die er sich wie auch immer erworben hat und die ihn auf charakteristische Weise re-agieren lassen. Daraus ließe sich die These ableiten, dass alles aktiv ist, weil alles speziell reagiert: Ein Gummiball, wenn ich ihn trete, anders als ein Ziegelstein usw., und genau hierauf will ich hinaus. Alle Materie ist aktiv, bewegt, weil sie automatisch nach dem System, welches sie prägte re-agiert. Information ist Aktion. Alles ist aktiv, weil es Informationen in sich trägt, und somit nicht beliebig wandelbar ist. Die Umschreibung der Biologie für organisches als aktiv bewegtes würde so umgangen, wenngleich noch weiter Kriterien wie Wachstum, Stoffwechsel usw. zu erfüllen wären, um zum Organischen gezählt zu werden. Sowohl in der Biologie als auch in der Chemie gilt der Kohlenstoff in Form von Kohle und Diamanten aber als anorganisch. Nichts desto trotz hat Kohlenstoff eine Art Erinnerung in seiner Form gespeichert und ist folglich eine Art programmierter Automat, obgleich er auch sehr unbewegt erscheinen mag. Um diesen Gedanken weiter zu tragen eignet sich Kohlenstoff sehr gut. Der Diamant ist nun ein erinnernder Automat, aber er kann nur schlecht improvisieren. Kohlenstoff selbst hingegen existiert in ca. 15 Millionen verschiedenen Verbindungen. Die Materie Kohlenstoff scheint also eine Form gefunden zu haben, welche der Ordnung des „in unserer Gegend“ herrschenden Systems sehr gut angepasst ist. Seine Variationen sind wie Mutationen, die immer wieder aus seiner ursprünglichen Form abgeleitet werden und schließlich so komplexe Materieanhäufungen wie Tiere schaffen, wenngleich noch immer ohne Bewusstsein. Auch viele Tier „lesen“ die Informationen, die sie bereits durch ihre Form in sich tragen nicht selbst ab, aber sie sind in der Lage ihre Anlagen/ihren Informationsfundus zu nutzen, in der Interaktion mit ihrer Umwelt/Materie. Instinkte nennen wir angeborene Verhaltensweisen, wie wir sie von Tieren kennen. Diese bilden den großen Unterschied zu Lebewesen mit Bewusstsein. Ein Instinkt gesteuertes Lebewesen, welch verblüffende Fähigkeiten es auch besitzen mag, ist immer noch ein relativ sturer Wirkungskomplex. Ein Vogel hat beispielsweise eine unglaubliche Orientierungsgabe. Es hat lange gedauert bis die Wissenschaft herausfand, dass Vögel einen Sinn für das Magnetfeld der Erde haben, woran sie sich orientieren. Fast scheint es, als habe sich der Algorithmus zur Gewinnung dieser Informationen bei den Vögeln über Jahrhunderte derart etabliert, dass er sich fest in die Gene geschrieben hat und sie zur Entwicklung dieses Organs veranlasste. Allerdings können Vögel leicht getäuscht werden, wenn sie blind im Windkanal auf die falsche Fährte von künstlichen Magnetfeldern geschickt werden. Jeder Sinn gibt eben nur eine virtuelle Welt wieder. Auch ein Mensch kann im geschlossenen Raum nicht unterscheiden, ob er sich in Schwerelosigkeit oder im freien Fall befindet. Allerdings nutzt der Mensch seine Sinne nicht rein instinktiv (sondern eher intuitiv, also nach Gefühl, was wiederum heißt, dass er um den Zufall, bzw. um ein gewisses Nicht – Wissen weiß und folglich nicht so leicht zu täuschen ist). Auch Tiere agieren nicht rein instinktiv, sind lernfähig, aber der entscheidende Unterschied ist das Bewusstsein, der Punkt, an dem sich das Lebewesen seiner eigenen Operationen zur Informations- und Erkenntnisgewinnung bewusst wird. Wie lässt sich dies auf Materieebene beschreiben?

Improvisationsfähige, erinnernde Materie entwickelt sich zu einem derart komplexen Geflecht, das es über der Ebene der ersten Formeln und Regeln, nach denen es sich angepasst hat, ein zweites Regelwerk etabliert, welches wiederum dem ersten empirisch erfahrene Wahrscheinlichkeiten zuspricht. Über diesem zweiten folgt ein drittes Regelwerk usw. Tiere kommen nie über eine gewisse Ebene von Regelwerken  hinaus, und ihre Anpassung erfolgt lediglich über Veränderung der Form. Der Mensch jedoch denkt sich irgendwann selbst denkend (Die Form liest ihre eigene Form, liest sich selbst und ihre eigenen Informationen ab). Die Regelwerke werden exponential immer komplexer. Auf eine Formel kommen zwei weitere, genauer spezifizierte, auf diese kommen vier, dann acht usw. Da aber schon die erste Formel keine korrekte Entsprechung der Wirklichkeit ist, wir erinnern uns an den Zufall und die Variablen, ziehen sich die „Fehler“ oder Ungenauigkeiten durch bis ganz oben, wo unser komplexes Denken steht, unsere Vernunft und unser Bewusstsein. Diese Ungenauigkeiten sind die Möglichkeiten, die Gefühle, die Improvisation. Über das sich selbst denken, also das Bewusstsein, muss der Mensch nicht auf materielle Mutation oder Anpassung warten (soll heißen: Er wartet nicht, dass er von außen geformt wird, sondern formt selbst), um zu überleben, sondern wendet seine Ideen, welche nie korrekt mit der Wirklichkeit korrespondieren, aber in unserem derzeitigen System doch sehr gut funktionieren, auf die ihm erschließbare Welt an und schafft so das, was kein Tier kann: Er weiß scheinbar, was als nächstes passiert, hat die Ungewissheit und den Zufall scheinbar besiegt – aber eben nur scheinbar. Eine solche eigendynamische Formanpassung, also ein Bewusstsein, bringt die Wahl erst ins Spiel, aber eben auch das Problem, dass gewählte Formen zwangsläufig brechen müssen, weil sie nicht mit der Tatsächlichkeit korrespondieren, noch weniger als ohne Bewusstsein entstandene Formen, die ja nur der Zufall bricht. Die Möglichkeit wächst dadurch aber ins Unendliche.

Nun kann man immer noch Fragen, wo ist denn nun der Geist? Diese Frage ist deshalb falsch, da Geist nun einmal nicht materiell ist und deshalb kein wo besitzt. Er ist einfach.

Eine Analogie können wir beim Licht beobachten, das einmal Materie und einmal Wellen ist, bzw. als Welle gemessen werden kann. Geist ist wohl am ehesten etwas wie Lichtwellen, wobei es genauer heißen müsste, was wir von der Tätigkeit des Geistes messen können sind Lichtwellen. Im Endeffekt ist es nichts als Energie. Liest man Bergson oder Deleuze, besteht alles Sein aus Licht. Dies erscheint sinnvoll, da Licht als die ursprüngliche „Materie“ gleichzeitig auch der ursprüngliche Geist sein kann. Es gibt keine Materie ohne Energie, keine Energie ohne Materie, deswegen gibt es keinen Körper ohne Geist und anders herum. Der Geist ist aber nicht Energie, wie die Batterie in einem Spielzeug. Geist ist ja schon viel früher als Bewusstsein in/mit jeder Materie, also untrennbar. Kopfzerbrechen bereitet nun aber die Vorstellung, dass Geist, was ich bisher den geordneten, determinierten und vollkommenen Bereich nannte, plötzlich Energie sein soll. Um dies zu veranschaulichen, muss ich auf die Thermodynamik verweisen. Wie bereits erwähnt, ist Materie prinzipiell ungeordnet. Durch Zufall entstehen gewisse Ordnungssysteme, man könnte auch sagen, in den von uns erkannten Ordnungssystem gibt es durch Zufall Anomalien. Materie allein jedoch schert sich nicht um Ordnung. Alles Sein als ein abgeschlossenes System betrachtet, bildet nur durch Zufall  Ordnungen aus, ansonsten begibt es sich in die energieärmste Form, also eine Unordnung ohne System. Wo totales Chaos herrscht, geht auch die Energie gegen Null, ganz Null kann sie nie werden, da es dann auch keine Materie mehr geben dürfte (aber wer weiß, vielleicht verschwinden ja chaotische Teile unseres Universums einfach, wie etwa unbeugsame Chaoten und Querdenker in politischen Systemen verschwinden). Der Geist den ich beschrieben habe, existiert aber nur in Bereichen, wo durch Zufall gewisse Ordnungen entstanden, die sich in aller Materie widerspiegelt. Ordnungen erfordern aber Energie, um geformt zu werden. Wo Materie also Automaten oder Geist bildet, steigt auch die Energie. Hier stellt sich der Zusammenhang zwischen Geist und Energie dar. Allerdings bekommt der Geist nicht etwa Energie, die er verwendet sich auszubilden, er ist vielmehr Energie. Wo kommt diese Energie nun her? Rein physikalisch betrachtet aus der Bewegung, was dann bedeuten würde, das komplexere Formen weniger bewegt sind. (Und wie man so schön sagt: Wer es nicht im Kopf hat, der hat es in den Beinen. Und Mathematiker, also komplexe Denker, sind bequem Leute, bewegen sich also eher weniger. Vielleicht sind sie auch nur faul!)Dies würde mit der Betrachtung des Geistes als Zeit- und Ausdehnungslosem Stillstand korrespondieren.

4. Überlegungen zu Matrix

4.1. Von der Möglichkeit

Der Mensch, der sich intelligenten Maschinen erschaffen hat, hat sich seinen eigenen Gott erschaffen und auch seinen eigenen Sinn, wobei Sinn eine Gleichung ist. Dies allein genügt aber noch nicht. Für diese sinnvolle Logik fehlt noch der Antrieb, der die Menschen dazu treibt, sie überhaupt durch zu explizieren, immer wieder aufs Neue zu rechnen, immer wieder leicht zu verändern. Der Antrieb für die Menschen in Matrix scheint offensichtlich der Frieden zu sein, den vom ersten bis zum letzten Teil kündet uns Morpheus unablässig von der Prophezeiung, die den Menschen einen Erlöser verspricht, der Frieden bringen wird. So ist von Bestimmung die Rede, einer Bestimmung eher wie ein göttlicher Auftrag, als eine zufällig entstandene Ursache-Wirkung Folgerichtigkeit, was Morpheus in Matrix Reloaded beim Gespräch mit dem Merowinger vehement ablehnt. Merkwürdigerweise beharrt Morpheus darauf, dass am Anfang eine Entscheidung steht, nicht Ursache-Wirkung. Doch wie passt dies mit der Bestimmung zusammen? Ich muss davon ausgehen, dass Morpheus die Entscheidung bei einem Wesen sieht, von dem alles ausgeht: Gott. Gott trifft die Entscheidung und die folgende Kette von Ursachen und Wirkungen erhält so die Farbe der Bestimmung und nicht der blanken Kausalität. Neo wird diese Rolle für die Menschen übernehmen, die Entscheidung treffen und so den Menschen eine neue Bestimmung geben, nämlich ihre Unmündigkeit abzulegen und sich aus eigener Kraft zu befreien. Dass Neo auch nur ein Teil in einem größeren Wirkungskomplex ist, begreift vermutlich nur er selbst, nicht aber die Menschen in Zion.

Der eigentliche Antrieb oder die Ursache scheint nun aber nicht der Frieden zu sein, dieser ist nur das Resultat. Was die Menschen wirklich antreibt, was sie nicht ruhen lässt im Kampf gegen die Maschinen, was ihre absolute Essenz ist, wie auch die Maschinen bei der Programmierung der Matrix erkannten, ist die Möglichkeit. Meinetwegen die Möglichkeit zur freien Entscheidung, oder die Möglichkeit zur Freiheit. Eigens dafür wurde in der Matrix die Möglichkeit in Form der Neo–Anomalie eingebaut. Wieder offenbart sich hier der Gegensatz: Ist der Sinn eine Gleichung, die logisch, folgerichtig und deterministisch funktioniert, bedarf es beim Streben nach dem Sinn der Möglichkeit, dem Raum dazwischen, der Freiheit, der Irrationalität und des Zufalls oder der Gefühle.

Die Menschen in Zion glauben also sie können der Kausalität entgehen, wenn sie an einen Erlöser glauben, der frei entscheidet und alles zur Bestimmung macht. Tatsächlich ist Neo nichts anderes als die freie Entscheidung, die Möglichkeit. Die Kausalität kann zwar auch er nicht ändern, aber ohne ihn wäre alles Leben verloren, das der Menschen und der Maschinen – beide brauchen die Möglichkeit.

4.2. Das Prinzip Gott

In seinem letzten Buch, Diktate über das Sterben, in welchem der Autor Peter Noll sein eigenes Sterben an Krebs dokumentiert, taucht häufiger die Formulierung das Prinzip Gott auf. Noll beschreibt sich selbst als gläubigen Mensch, weigert sich aber lange Zeit, selbst im Angesicht seines eigenen Todes, an Paradies oder ewiges Leben zu glauben. Vielmehr steht Gott für den Juristen Noll als Prinzip fest, welches die letzte Ursache oder den Urgrund für alles Sein darstellt. Es ist also kein mythisch verklärter Blick auf Gott, sondern vielmehr ein forschender, ja fast schon wissenschaftlicher und dennoch metaphysischer Blick, der in Gott nicht Erklärungen für Wunder sucht, sondern schlichtweg Sinn. Der Glaube an Wunder scheint heutzutage absurd, alles scheint eine „wissenschaftliche“ Erklärung zu haben, die die Naturwissenschaft früher oder später auch finden wird. Warum dieses gigantische Räderwerk der Natur und des Seins aber überhaupt ist, nicht warum oder wie es funktioniert, sondern warum es ist und nicht nicht-ist, das ist die Frage, die uns zum Prinzip Gott führt, die existenzielle Frage. Spannend wäre nun zu wissen, ob sich die Antwort offenbart, wenn alle Fragen des Funktionierens geklärt sind, oder mit anderen Worten, ob die Maschine, der hochkomplexe Computer den wir bauen, mit Millionen von Rechenleistungen pro Sekunde, dessen Funktionieren wir bis ins kleinste Detail verstehen, da wir es selbst geschaffen haben, ob diese Maschine zur künstlichen Intelligenz werden kann, zum Leben – und wir folglich zum Gott. Was bedeutet das? Es bedeutet, das der Mensch der künstliches Leben schafft, gleichzeitig der Mensch ist, der Gott wird, gleichzeitig der Mensch ist, der die Frage nach dem Sinn gelöst hat.

Frank Pasemann etwa, der am Fraunhofer – Institut für Autonome Intelligente Systeme (AIS) beschäftigt ist, spricht von Intelligenz als einem „emergenten“ Phänomen, das bei hinreichender Komplexität der Computer von selbst entsteht – aus dem nichts scheinbar. Gehen wir von dieser Annahme aus, wäre es möglich, dass der Mensch intelligentes Leben schafft, ohne zu begreifen warum, nicht nur warum diese Maschinen intelligent sind, sondern auch warum er sie baut, da er auch nicht weiß, warum er selbst intelligent ist und warum er überhaupt ist. So würde dem hoch technologisierten Menschen in letzter Sekunde das entscheidende Wissen praktisch aus dem Gesichtsfeld entzogen, als greife die Hand Gottes persönlich ein und wiese den Menschen in seine Schranken, oder sollte man eher sagen, als hätte der Teufel seine Finger im Spiel und machte den Mensch zum Automaten.

4.3. Matrix – Gott?

Eine Art Gott taucht in Matrix nur in der Maschinenwelt auf, als Programm oder als eine Art Deus ex Machina. Dieses Wesen kann noch am ehesten als Gott – auch der Menschen – gesehen werden, nur dass es nicht mehr der weißbärtige, liebevolle Vater ist, der über uns wacht. Er ist ein logisch funktionierendes Programm, für den Gefühle nur als von Algorithmen programmierte Muster gelten. Seine Aufgabe ist, wie uns das Orakel verrät, die Wahrung des Gleichgewichts. Auch er kann, wie das Orakel, nicht die Zukunft vorhersehen oder bestimmen, was ihm die Allmacht raubt. Die Menschen bleiben für ihn immer ein bisschen unkontrollierbar, was schon die geplante Existenz von Neo als Anomalie in der Matrix verdeutlicht. Menschen sterben im Determinismus, sie brauchen wenigstens die Möglichkeit der freien Entscheidung.

Die Menschen in Matrix haben jenen Gottwerdungspunkt überschritten, sie erschufen das Lebewesen Maschine und verloren den Krieg gegen diese neue Spezies, sie wurden nicht zu Gott. Statt Sinn und absolutem Wissen basiert ihr Leben auf Prophezeiung und Bestimmung. Von Gott ist nicht mehr die Rede, stattdessen von einem Erlöser ähnlich dem der Bibel, nur dass dieser den Frieden mit den Maschinen bringen soll, also ein Erlöser, der nicht nur Macht über Natur und Mensch, sondern auch über intelligente Maschinen hat. Dieser Erlöser soll nun nicht etwa die Maschinen vernichten, sondern befrieden. Die Maschinen sind in gewisser Weise also auch die Kinder dieses Erlösers (Interessanterweise spricht der Architekt der Matrix davon, dass Neo programmiert sei, obwohl er doch ein Mensch ist. Neo erscheint somit als Hybrid.), wobei der Erlöser über die Prophezeiung und den Glauben an Bestimmung mehr an eine logische Konsequenz erinnert, als an etwas göttlich Allmächtiges. Die Menschen die intelligent genug sind künstliches Leben zu erschaffen, sind also die gleichen Menschen, die nicht mehr an Gott, sondern an eine Bestimmung glauben, oder um es mit anderen Worten auszudrücken, an den Vollzug einer Gleichung die unabänderlich ist.

Der Erlöser ist folgerichtig ein Computerhacker. Er ist die Bestimmung. Er gehört mit in die Gleichung und soll den Frieden bringen. Nun muss aber zur Einrichtung des Friedens eine Veränderung stattfinden. Die Form oder die Gleichung kann geändert werden, wenn es eine neue Variable aus der Umwelt nötig macht, oder als bloßes Probieren des Geistes, was dieser ja immer tut, bei seiner Suche nach Ordnung. In unserem Fall wird die Gleichung verändert, weil Neo, anders als seine sechs Vorgänger, auch verändert ist: Er nimmt die Liebe differenzierter wahr. Das allein würde Neo aber nicht zur Durchsetzung des Friedens verhelfen, vielmehr führt ihn dies zur Entscheidung für die Zerstörung allen Lebens. Jedoch wird in dem abgeschlossenen System der Matrix automatisch ein Gegengewicht zu Neo erstellt, Agent Smith, für dessen Beseitigung Neo den Frieden beim Maschinengott erwirkt. Das Gleichgewicht im kleinen System, der Matrix, führt zu ihrer Zerstörung und zum Gleichgewicht im großen System, dem von Menschen und Maschinen.

Die Matrix ist ja wie eine rein geistige Welt, allerdings mit eingebauter freier Entscheidung bzw. Zufall in Form von Neo, damit es von den Menschen angenommen wird. Dem Maschinengott ist all dies bewusst. Er weiß, dass er weder Neo noch Smith kontrollieren kann, weiß, dass die Matrix regelmäßig abstürzt, weiß, dass die Menschen die Maschinen und die Maschinen die Menschen brauchen Was er nicht weiß, ist wie sich Neo entscheiden wird, aber wie er sich auch entscheidet, am großen Gleichgewicht ändert das nichts, denn dieses bestimmt die Form und die Formel bzw. Gleichung des Systems von Mensch und Maschine.

Dass dennoch bisher Krieg herrschte, lässt sich so erklären, dass in der Matrix mehr oder weniger Frieden war. Nun herrscht Frieden und es bleibe spannend zu wissen, wie es in der Matrix weiterginge. Der letzte Teil endet mit den Worten, dass jeder Mensch der es will, befreit werden darf. Ich vermute jeder Mensch wird befreit, also wird die Matrix wieder Einstürzen, was dann logischerweise wieder zum Krieg zwischen Menschen und Maschinen führt. Was passieren müsste, damit es friedlich bliebe, wäre ein nicht befreitwerden Wollen bei den Menschen, ein nicht wissen Wollen um die wahre Welt und letztendlich ein überhaupt nicht Wollen, vor allem nicht entscheiden Wollen. Dies läuft aber der Natur des Menschen zuwider. Das Wollen ist ja die Suche nach Ordnungen, die Entscheidung die eine oder andere Ordnung zu erkennen, um sie dann beizubehalten oder zu revidieren. Menschen, die das nicht mehr tun, sind keine Menschen (lauter meiner Definition des Automatenmenschen). Des Weiteren gäbe es in dieser Matrix nicht mehr die eingebaute Neo – Anomalie, diese ist ja nicht mehr nötig, weil jeder Mensch frei entscheiden und befreit werden darf. Somit erscheinen die abschließenden Worte zwischen Orakel und dem Architekten der Matrix sehr anders, wenn es da heißt, dass sie Neo eines Tages bestimmt wieder sehen werden.

Selbst die Liebe, der Griff zum Romantischen, bringt nur eine zeitweise Veränderung. Es kommt zum Frieden und ein Frieden erscheint in diesem Abhängigkeitsverhältnis sehr sinnvoll. Wieso kann Frieden ganz allgemein nicht halten?

4.3.1. Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit

Menschen als Automaten, wie ich sie beschrieben habe, suchen Ordnungen, die immer perfekter sind als das, was sich tatsächlich materiell abspielt. Diese Ordnungen haben auch wieder Auswirkungen auf die Materie, sie schaffen es aber nie diese Perfektion durchzusetzen. Da unser Sinn aber die Ordnung und unser Antrieb alles, was sich der Ordnung entgegenstellt ist, wollen wir um jeden Preis den Sinn erreichen. Dafür wäre es nötig sich der Materie Untertan zu machen, was nichts anderes bedeutet als frei zu sein. Mancher würde einwenden, dies sei nur körperliche Freiheit, aber wie um alles in der Welt soll denn geistige Freiheit aussehen? Die körperliche Freiheit wird erreicht, wenn die Materie übergangen wird, die Geistige, wenn das Denken übergangen wird, nun vielleicht ist das möglich, aber wie soll ich mir das denken… Letztendlich ist es doch so, dass ohne das Materielle auch das Geistige sich selbst überwinden würde, viel wahrscheinlicher erscheint mir aber, dass das eine ohne das andere eben nicht existieren kann.

Da Menschen sich also gerne frei machen, ist ein Abhängigkeitsverhältnis, wie das zwischen Mensch und Maschine immer ein Problem. Vielleicht geht Frieden einige Zeit gut, doch er wird im Krieg enden. Der Krieg geht auch einige Zeit gut, doch er muss im Frieden münden, sonst würden beide aufhören zu existieren. Es geht immer auf und ab.

4.3.2. Sind gar keine wirklichen Veränderungen möglich?

Wirkliche Veränderungen finden in Matrix nicht statt, ein weiteres Indiz, wie analog die Macher von Matrix den Mensch zur Maschine sehen. Die Bestimmung, welcher Morpheus von Anfang an nachläuft bewahrheitet sich, genauso wie das Ursache Wirkung Prinzip, nur dass eben am Anfang eine Entscheidung steht. So lässt sich auch erklären, warum Neo und das Orakel die Zukunft teilweise erahnen können.

Jetzt behaupte ich also, in Matrix gibt es den Zufall nicht und die Matrix Welt ähnelt daher eher der Monadenwelt von Leibniz, der Maschinengott dem Leibniz Gott und die Gleichung oder Formel den Falten, welche die Monaden laut Deleuze in sich tragen. Warum wende ich also meine Theorie auf diesen Film an? Matrix kreiert eine Welt in der sowohl Mensch als auch Maschine automatisch funktionieren, was sehr gut zu meinem Thema der „Mensch als Automat“ passt. Darüber hinaus hat die Menschheit in diesen Filmen den Schritt zur künstlichen Intelligenz überwunden. Scheinbar bewirkte genau diese Entwicklung, bzw. bewog diese Entwicklung, die Macher von Matrix anzunehmen, diese Welt müsse ein Welt ohne Zufall sein, in der alles Wissen offen gelegt wurde, und das Leben nur noch Fragen kann, Wie?(wird es passieren) und nicht mehr Was? oder Warum?.

Dass ich in dieser Welt jedoch nicht stehen bleiben will, erläutert ihnen der Abschnitt über den Zufall, der deutlich macht, dass eine solche Welt nicht existieren kann, ähnlich wie die Matrix von den Menschen nicht angenommen wurde, in der es keine Möglichkeit einer freien Entscheidung gab. Aber halt! Jetzt widerspreche ich mir ja selbst. Wenn es keinen Zufall gibt, wie kann es dann eine freie Entscheidung in den Matrix Filmen geben?

In Matrix gibt es doch Zufall, den zwischen Tür Eins und Tür 0. Die Entscheidung ist nicht vorhersehbar, weil Neo menschlich ist. Zwar ist vorhersehbar, dass die Wahl auf eine der Türen fällt, aber die Chancen bleiben 50 zu 50. Zwar bewegen sich beide Varianten in einem Kreislauf von Krieg und Frieden, dennoch ist es eine freie Entscheidung. Einmal entscheidet sich der Mensch für Leben, nämlich wenn es ihm schlecht geht, einmal für den Tod, wenn es ihm gut geht. Ein minimaler Restzufall bleibt also in der Matrixwelt erhalten, eine kleine Möglichkeit, wenngleich die „berechenbarste“ überhaupt. Dies muss so sein, da wir von einer Welt ausgehen, deren Geist die Informationsverarbeitungsanleitung 1 oder 0 besitzt. Gäbe es Null, Eins, keines von beidem und beides vervielfachen sich die Möglichkeiten bereits. Vielleicht ist also die Vielheit, die Möglichkeit, die Unendlichkeit oder kurz, der Zufall, gegeben in einer Endlichkeit, einer Einheit!? Haben wir keine Entscheidungsmöglichkeit ist alles determiniert. Haben wir die kleinste Möglichkeit, uns zwischen 1 und 0 zu entscheiden, und nur diese, immer wieder, wird zwar alles im Kreis laufen, aber keiner kann wissen, was als nächstes passiert. Machen wir die Entscheidungsmöglichkeiten noch vielfältiger, wächst die Freiheit und Unvorhersehbarkeit exponential.

5. Zufall – Ein Appell an Alle

Stellen sie sich eine Welt ohne Zufall vor. Irgendwann könnte intelligentes Leben alles berechnen, vorhersehen und die Zeit würde eigentlich still stehen. Als wäre alles schon passiert! Eine Welt ohne Zufall ist eine Gleichung, eine Gleichung die Raum und Zeit überflüssig macht. Schwer vorstellbar, das in einer solch logischen und folgerichtigen Welt das scheinbar chaotische Leben jeden Tag aufs Neue durchexpliziert werden muss. Wozu? Das wäre sinnlos, ohne Zweck, eine Wirkung ohne Ursache und somit ein Paradox in sich selbst. Vermutlich ist es genauso paradox anzunehmen, ein intelligentes Leben könnte in solch einer Gleichung existieren.

Zufall gibt es nur in der Abgrenzung zu einer gewissen Ordnung. Gäbe es nur Zufall, wäre dieser als solcher gar nicht auszumachen. Wir bezeichnen als Zufall alles, was wir nicht berechnen oder vorhersehen können, also Dinge und Vorgänge, die sich unserem Wissen entziehen. Das zweite Gesetz der Thermodynamik besagt unter anderem, dass jedes geschlossene System, wird es sich selbst überlassen, ein möglichst energiearmes System formt. Dieses System oder diese Form ist die Unordnung und ihr Wert ist Null (Entropie =0). Ordnung erfordert Energie aber Materie strebt prinzipiell den Weg des geringsten Widerstandes an. Da man solche Systeme aber nur theoretisch betrachten kann – sie sind letzten Endes nie völlig isoliert von äußeren Einflüssen – ergeben sich gewisse Ordnungen, etwa in der Natur.

Da Unordnung analog zu Zufall gesehen werden kann, beides steht in Opposition zur Ordnung und bleibt unbeschreibbar, könnte man auch den Zufall als eine gewisse Basis betrachten, die energieärmste Zustandsform, auf dem Ordnung unter Einwirkung weiterer Kräfte oder Energien in gewissen Zeit- oder Raumfenstern entsteht. Diese Überlegungen sind wichtig, da Zufall nach wie vor ein entscheidendes Unterscheidungsmerkmal zwischen Mensch und Maschine darstellt. Gehen wir von Heisenberg und Schrödinger aus, herrscht in der Materiewelt Zufall. Das heißt aber auch, dass Menschen, als organisches Material, dem Zufall unterworfen sind, zumindest was unseren Körper betrifft, genauso wie Maschinen, deren Metall und Silizium ja ebenfalls Materie ist. Wie sieht es nun mit der nicht physischen Seite aus?

Ein Computer, und mag das Programm noch so komplex sein, kann keinen Zufall generieren, d.h. eine Zufallszahl die im Rechner beispielsweise per random Befehl generiert wird, ist nichts weiter als eine logisch nachvollziehbare Rechenoperation ohne jegliche Zufälligkeit. Will ein Rechner nicht immer die gleichen Zufallszahlen errechnen, muss er auf äußere Daten, wie beispielsweise das Datum oder die Uhrzeit, oder die Eingabe eines Menschen zurückgreifen. Eine zweite Möglichkeit wäre, dass der Zufall Einzug erhält, wenn der Rechner beispielsweise aufgrund von Materialermüdung kaputt geht. Ansonsten funktioniert die digitale Welt des binären Codes aber vollkommen determiniert, nachvollziehbar, vorhersehbar und ordentlich. Der Zufall gelangt also in den „Geist“ der Maschine nur von außen.

Wie sieht es nun beim Menschen aus. Auch der Mensch kann „kaputt“ gehen, krank werden, ihm kann durch Zufall ein Hammer auf den Kopf fallen, durch Interaktion mit der Materie. Aber gibt es einen Zufall im Geist? Dies scheint die Gretchenfrage zu sein, wie Kants Frage nach dem synthetischen a priori oder die Frage nach dem freien Willen. Funktioniert unser Denken nach einer Logik? Die eine Logik gibt es nicht, die Logik der Philosophie ist nicht allgemeingültig, auch sie hat ihre schwarzen Löcher.

Die kognitive Psychologie sieht das menschliche Gehirn analog zu einem Rechner. Es gibt einen zentralen Prozessor mit beschränkter Aufnahmefähigkeit, dem Arbeitsspeicher, Information wird in Prozessen verarbeitet, über Schemata miteinander verknüpft, wie ein großes Lochkartensystem. So verrückt diese Annahmen klingen, sie liefern beachtliche Ergebnisse, beispielsweise zur Erforschung von Wahrnehmungsprozessen beim Betrachten von Filmen. Der Neoformalismus in der Filmtheorie baut auf dieses System, sagt sich somit los von wilden Interpretationen und hat in den 80er Jahren großen Zulauf. Zwangsläufig stellt sich die Frage nach dem Gefühl, was doch eigentlich ein zentraler Punkt, gerade beim Genuss von Filmen ist. Thorben Grodahl beispielsweise, nimmt daraufhin Emotionen mit auf in sein Modell eines kognitiven Wahrnehmungsrechners im Menschen. Ist alles berechenbar, gibt es keinen Zufall im Geist des Menschen? Die Psychoanalyse will für alles im menschlichen Geist Erklärungen finden. Ist sie nicht eigentlich die erste Wissenschaft, die den Mensch maschinisiert, nicht von außen, sondern viel fundamentaler von innen? Nicht nur die Psychoanalyse glaubt an die konkrete Erklärung, auch die Naturwissenschaft, teilweise die Philosophie, die Ökonomie, die Politik, die Ethik – ja die ganze Gesellschaft der Menschen glaubt doch eigentlich daran, manchmal sogar die Kunst. Als gäbe es am Ende eine schöne neue Welt, in der endlich alles geregelt ist, ordentlich, in der alle zufrieden Leben können. Als gäbe es das Gute, das Richtige, isoliert. Aber Gut und Böse sind ein Paar, das eine definiert und bedingt das andere doch erst, so zumindest in dem virtuellen/digitalen System Sprache, der ewigen auf sich selbst verweisenden Signifikantenkette. Wie kann nur das eine sein? Gerne glauben wir, dass alles besser wird, wenn unsere modernen Staaten von gewaltigen Militärapparaten und alles durchdringenden Polizeiapparaten beschützt werden. Beschütz wovor? Vor den Terroristen, vor dem Bösen, davor, das unser Flugzeug in die Luft gejagt wird, davor, dass es nicht gerade uns durch Zufall erwischt. Und wie erreichen wir das? Wir schließen die Möglichkeit aus, dass es überhaupt passiert, wir schließen die Möglichkeit an sich aus, den Zufall. Dass dies ein Trugschluss ist, liegt auf der Hand, doch ist es freilich symptomatisch für uns Menschen. Wir müssen genau das Wollen, wollen dass der Zufall verschwindet, denn so erst entsteht der Zufall und wir erfahren Sinn. Gingen wir von vornherein vom totalen Chaos aus, gäbe es keinen Zufall, aber auch keinen Sinn mehr. Es wäre ähnlich einer total determinierten Welt, weil sich eigentlich nichts mehr bewegte, zumindest von intellektueller Seite betrachtet. In dieser Welt kann kein intelligentes Leben entstehen. Folglich muss es doch eine Ordnung geben, ein System welches zumindest partiell funktioniert, einen Sinn. Ich behaupte diesen Sinn machen wir Menschen selbst, indem wir Ordnung machen, ähnlich wie es Kant beschreibt in seiner These der kopernikanischen Wende, in welcher er darauf hinweist, das es doch der Mensch erst ist, der sich die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung schafft, also die Ordnung! Man kann verschiedne Ordnungssysteme auf die Welt anwenden, kann Gravitation als echte oder als Scheinkraft ansehen, der Newtonschen Mechanik oder der Einsteinschen Relativitätstheorie glauben usw.

Wir fragen uns nach dem Sinn, doch sind wir das nicht selbst? Wir lehnen das totale Chaos ab, können die vollkommene Ordnung nicht erreichen – zum Glück – aber streben dennoch danach und unsere Gefühle sind der Motor. Wie das? Nun, Wollen ist nichts als ein Gefühl. Was ist ein Gefühl? Es ist der Sinn, welcher uns mit all dem in der Welt verbindet, was wir nicht verstehen können. Was heißt verstehen? Verstehen heißt nichts anderes, als es in unserem momentan vorherrschenden geistigen Ordnungssystem unterzubringen. Was kann das sein? Es ist die Möglichkeit, der Zufall, das Ungewisse. Hierfür entwickeln wir ein Gefühl, ähnlich einem Instinkt bei Tieren, nur viel komplexer und differenzierter. Vielleicht gibt nur ein einziges Gefühl mit unendlichen Variationen, doch das genügt, um uns jeden Morgen von neuem aus dem Bett zu reißen, um wieder alles unverstandene in Ordnung zu bringen. Wir sind wie Mainzelmännchen, die ganz in Sisyphus – Manier einen großen zufällig verstreuten Materiehaufen in Ordnung bringen, um nach halb vollendeter Arbeit festzustellen, dass diese Ordnung nicht die richtige ist und fangen so immer wieder von vorne an, mit dem festen Glauben es gäbe die richtige Ordnung, getrieben von der Möglichkeit, die uns jede Ordnung wieder zunichte macht und eine neue eröffnet.

Die Gefühle sind genau da am stärksten, wo es keine konkrete Erklärung, keine Eindeutigkeit gibt. Kierkegaard schreibt über das Tragische, dass es in der modernen Welt, in Abgrenzung zur Antike, kaum mehr vorkommt, da wir uns aus dem ästhetischen herausreflektieren. Was er damit sagt ist, dass wir immer eine eindeutige Schuld suchen, sei es beim Konstrukteur des Flugzeuges oder beim Sicherheitspersonal des Flughafens, das die Bombe übersehen hat. Genau deswegen werden wir in die Utopie getrieben alles beherrschen zu können. Das Gefühl der Angst ist Motor, uns in eine Welt zu treiben, in der Gefühle gar nicht mehr vorkommen, nicht mehr von Nöten sind. Doch wissen wir unlängst, dass die Akte des Ausbruchs je stärker werden, je näher wir dieser totalen Ordnung kommen.

Also was ist nun mit dem Geist des Menschen? Gibt es den Zufall in unserem Denken oder nicht? Nein liebe Leser, es gibt ihn nicht, nicht in unserem Denken. Da gibt es nur die totale Ordnung, auch wenn wir sie nicht immer verstehen. Und alles was wir nicht verstehen, treibt uns noch mehr an die totale Ordnung zu erreichen. Ja, wir wollen die totale Ordnung! Warum? Weil die Möglichkeit besteht! Der Zufall ist irgendwo da draußen und auch wenn wir ihn nicht denken können, so ist er doch Teil von uns, den Denken existiert nie ohne Materie.

Ich bewundere immer wieder jene Menschen, welche in unserem Gesellschaftssystem derart zielstrebig ihren Weg gehen, die Universität absolvieren, zur Elite stoßen, Karriere machen. Diese Menschen haben einen sehr starken Glauben, einen Glauben der religiöser oder ökonomischer Natur sein kann, esoterischer oder was auch immer. Aber es ist in jedem Fall ein Glauben, der auf ein richtiges hinausläuft, auf eine Einheit, wie Leibniz betonen würde. Solche Menschen funktionieren einfach gut. Vielleicht ist das aber nur Blindheit, Ignoranz der Möglichkeit, ein Beiseiteschieben des Zufalls. Stellen Sie sich einen Menschen vor, der eben das geschrieben hat, was sie gerade gelesen haben. Ist das nicht auch wieder einer jener, die an etwas glauben, an etwas festes, eine Einheit, ein System? Aber ja, und somit stecke ich genauso fest wie alle anderen, nur das ich keine Lust habe die Spiele zu spielen, die den anderen Kindern gefallen, was nicht heißt, dass ich nicht spiele.

Warum diese Theorie

Auch ohne solche Gedanken im Kopf zu haben, setzten wir uns mit dem Thema Mensch/Maschine auseinander, nicht nur in der Forschung nach der künstlichen Intelligenz, sondern auch sehr starken in Filmen. Auch verwenden wir in der Sprache gerne Redewendungen wie, der Mensch wird instrumentalisiert, der Regisseur spielt auf der emotionalen Klaviatur des Menschen usw. Grundgedanke solcher Ausdrücke ist meines Erachtens eine Wissenschaftsgläubigkeit, die allem eine letzte Erklärung und Begründung zuweisen kann, sei es in der Natur oder in der Psyche des Menschen. Unsere westliche Gesellschaft läuft unter der Flagge der Perfektion. Sie wird zwar nicht erreicht, aber der Glaube daran bleibt erhalten. Beispielsweise meinten meine Eltern gestern, die Geiselnahme in Beslan verlief deshalb so blutig, weil die russischen Soldaten für solche Aktionen nicht fachgerecht ausgebildet wurden. Als gebe es auf jedes Problem eine adäquate Antwort. Ich denke eine Befreiung von Geiseln wie in Mogadischu 1977 war schlichtweg Zufall, nicht reiner Zufall aber auch nicht vorhersehbar. Wir aber wollen alles vorhersehbar machen und erkennen dabei nicht einmal, dass eine derart vollkommene Welt genau die Welt sein muss, in der nicht nur menschliches Versagen sondern auch Menschen nicht mehr vorkommen. Zwar geben wir gerne zu, dass immer mal etwas schief gehen kann, dass man nie alles wissen kann o.ä., jedoch bleibt tief in unserem „Funktionieren“ der Glaube verhaftet, dass es eben doch nicht so läuft. Man beachte nur den gewaltigen Apparat Börse mit all seinen dazugehörigen Institutionen, die alle dem Zweck dienen, einen rein virtuellen Kursverlauf vorherzusagen. Hier könnte ich mir noch eher vorstellen, dass es funktionieren kann, zumal die gehandelten Papiere meist nur noch wenig oder gar nichts mit tatsächlicher Materialität zu tun haben. Andererseits darf man nicht vergessen, dass es eben Millionen von menschlichen Wesen sind, die den Kurs bestimmen, und Menschen bleiben letztendlich doch unberechenbar.

Diese Theorie erklärt zumindest, warum wir gezwungenermaßen immer einer solchen Utopie nachlaufen, aber auch die Fehler und Gefahren eines solchen Denkens.

Exkurse:

1.Freiheit

Es ist dumm zu fragen, ob der Mensch frei ist. Wollte ein Mensch in unserer Welt frei sein, müsste er die Macht besitzen alles tun und lassen zu können, was er will, wozu ihm offensichtlich die Macht fehlt, er ist ja nicht Gott. Hat dieser Mensch aber ein Vermögen geerbt, ist er frei seinen Job an den Nagel zu hängen. Die Freiheit funktioniert immer in einer Ordnung, oder in Abgrenzung zu einer Ordnung. Totale Freiheit ist nicht denkbar, weil sie nur da sein kann, wo nichts ist – Gott ausgenommen, falls er existiert und nicht Nichts ist. Interessanter ist die Frage nach dem freien Willen. Dabei soll nicht gefragt werden nach Abhängigkeiten von Tradition, Erziehung, kulturellem Zusammenleben, Genen usw., sondern ob es eine allgemeine Aussage geben kann, die dem Menschen freien Willen prinzipiell zu- oder abspricht.

Gehen wir vom intelligenten Leben als einem emergenten Phänomen komplexer Form und Materie aus, entstanden durch den Zufall, muss diese Frage mit Ja und mit Nein beantwortet werden. Der Wille ist in dieser Theorie das Streben nach Ordnung, hervorgerufen durch Unordnung. Es bleibt unhaltbar zu sagen, der Wille sei prinzipiell unfrei, zumal der Zufall als der letzte Grund ja selbst keinen Zwängen unterworfen ist. Anders herum besteht immer die Abhängigkeit vom Zufall, der zwar beeinflusst, aber nie bestimmt werden kann. Was wir wollen ist also Zufall, der versucht wird zu ordnen, zu lenken, zu bestimmen. Wir haben nicht mehr freien Willen als Automaten, wenngleich die Möglichkeiten unendlich sind.

Wir können die Möglichkeiten beeinflussen aber nicht konkret bestimmen.

2. Menschen als Batterien

Die Idee in Matrix, Menschen als Batterien für Maschinen zu verwenden scheint grandios und fantastisch, doch etwas nüchterner ausgedrückt gar nicht mehr so unrealistisch. Wenn der Sinn „nur“ die Ordnung sein soll, frage ich mich, wozu denn Ordnung?

Betrachten wir das Sein als eine Suppe von Materie und Geist, die ständig zufällige Ordnungen ausbildet, welche sich dann weiterverbreiten und schließlich wieder zerstört und durch neue ersetzt werden usw., dann sind wir als Menschen doch nichts weiter als eine Art Motor im ewigen dahin Wabbern des Seins. Da wir immer Ordnungen antreiben und Ordnungen doch charakteristisch für Maschinen sind, müssen wir wohl eine Art Batterien für eine Art Maschinen sein, die wiederum nur existieren, weil sie auch nicht existieren können.

3. Gefühle und andere Paradoxien

Nehmen wir an, alles ist Zufall, aber der Geist baut Ordnungen. Schafft es der Geist die „Ordnung“ zu bauen, dass alles Zufall ist, hätte er ja recht, nur dass er nicht recht haben kann, weil es im Zufall kein Recht gibt, und schon gar keine Ordnung. Somit muss jedes gedankliche Konstrukt, welches Zufall gedanklich zu ordnen versucht, paradox sein, weil die Art wie wir denken, nicht zufällig ist. Wir können Zufall gar nicht denken, wir können nur sinnlich wahrnehmen, feststellen, dass es nicht in unsere Ordnung passt und somit unbeschreibbar oder nur über Näherungswerte beschreibbar ist. Daraus entstehen Pseudo- Logiken wie Gefühle, Hoffnung, Aberglauben usw.

Ich verliebe mich in ein Mädchen. Warum, was ist Liebe? Menschen brauchen sich gegenseitig, brauchen Berührung, also die physische Nähe, weil es ganz einfach „schön“ ist, z.B. für die Nerven stimuliert zu werden, wie es auch schön ist sich zu kratzen, wenn’s juckt. Aber sie brauchen es auch geistig. Wer sich wirklich in jemanden verliebt, verliert Unabhängigkeit, man verlässt sich aufeinander, deswegen muss man sich auch vertrauen. Der Partner ist wie eine Art transzendentes Wesen, er überstrahlt alles bisher Gekannte und Wichtige und er bleibt immer ein klein wenig ein Rätsel. Man bewundert ihn und ist stolz auf ihn. Der Partner gibt Bestätigung für sich selbst, er bestätigt die eigene Ordnung. Das kann er tun, indem er an das gleiche glaubt, oder indem er, obwohl er an etwas anderes glaubt, an einem festhält (1+1=1 oder 1+1=2). Wie erklärt sich nun das Gefühl das entsteht. Das Gefühl ist kein sinnlicher, sonder ein geistiger „Sinn“. Es entsteht als Kompensation für die Unfähigkeit Erlebtes in die eigne Ordnung zu integrieren. Die 1+1=1 Liebe scheint somit keine wahre Liebe zu sein, eher ein Zweckgemeinschaft, weil sie sehr wohl einzuordnen ist. Bei 1+1=2 kommen wir dem wahren Gefühl näher. Niemals werden wir den anderen ganz verstehen können. Dass Liebe und Hass eng beieinander liegen, erfahren wir aus tausenden von geplatzten Ehen, die im großen Krach auseinander gehen. Hier sind wahre Gefühle am Werk. Ob sich nun das Gefühl Richtung Hass (entsteht doch aus Angst, also dem Unbekannten) oder Richtung Liebe neigt, mag Zufall sein oder Geschicklichkeit, jedenfalls ist sowohl Lieben als auch Necken auf die gegenseitige Unfähigkeit der Einordnung zurückzuführen, was uns Menschen fasziniert, neue Möglichkeiten erahnen lässt, uns unserer Freiheit bewusst werden lässt, der Vielheit in Abgrenzung zur Einheit.

Unsere Gefühle sind also die geistige Kompensation des Paradoxons, dass wir im Zufall leben und diesen mit Logik bewältigen. Gefühle selbst sind hierbei streng genommen auch logisch und berechenbar, da sie aber immer wieder durch neue Zufälle, Möglichkeiten und nicht einzuordnende Erlebnisse neu entstehen und somit auch sehr heftigen Schwankungen unterworfen sind, bleiben sie letzten Endes unberechenbar.


  1. Was im Automat dennoch als Einheit angesehen werden kann, ist der Binäre Code. Anders als bei Leibniz jedoch, handelt es sich nicht um „die ganze Welt“, welche sich in den Monade widerspiegelt, sondern lediglich um die Basis alles Geistigen, nämlich die Entscheidung Null oder Eins. Dies spiegelt aber nur einen Teil der Tatsächlichkeit wieder, zumal Materie ja nicht vom Geist getrennt betrachtet werden darf und in der Materie der Zufall herrscht (z.B. 0 und 1 gleichzeitig). Somit ist die theoretisch betrachtete Einheit des Geistigen, also die Null – Eins Entscheidung, tatsächlich eine unendliche Vielheit. Die Monadenlehre spricht zwar von der ganzen Welt in jeder Monade, endet aber dennoch nicht in einer völligen Determiniertheit, Leibniz schafft es folglich ebenfalls noch rechtzeitig „die Kurve zu kratzen“. Wie und wo genau ist nicht Thema dieser Arbeit.
  2. Vom großen System zu sprechen, welches auf das Kleine wirkt, dient nur der Anschauung. Groß und klein ist relativ, Materie kennt keinen Maßstab und keine Grenzen diesbezüglich, da es aber Raum und Zeit gibt, gibt es Orte an denen zu gewissen Zeiten gewisse Bedingungen vorherrschen. Alles Sein ist irgendwie miteinander verquickt, aber nicht nach festen Regeln, sondern nur nach Wahrscheinlichkeiten. Bildet sich in der Materie also irgendwo, irgendwann durch Zufall eine einigermaßen stabile Ordnung aus, nennen wir sie grün, so wirkt diese Ordnung wieder auf die Ordnung oder Unordnung der anderen Materie usw., und es beginnt zu grünen.
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