Geschüttelt und gerührt: Regisseur Monahan mixt seine skurrile Welt so lange, bis alles Hochprozentige verdunstet.
Zerrissen ist das richtige Wort für LONDON BOULEVARD, viel mehr noch als krass, schräg oder merkwürdig. Dabei muss nicht erst die Kritik am Film reißen, das besorgte der Regisseur mit seiner Zick Zack Inszenierung bereits selbst. Nichtssagend wie die gefühlt tausendfach kurz angespielten Rocksongs der 60er und flach wie das immer gleiche Pop Art Foto von Charlotte (Keira Knightley) präsentieren sich Handlungen wie Charaktere. Die Szenen reihen sich ebenso sprunghaft aneinander wie die abrupten Dialoge passieren, ja die gesamte Einheit von Raum, Zeit und Handlung droht zu zerbrechen. Gewollt war das wohl nicht, anders als die forcierte Skurrilität des Films, der auch in der kleinsten Nebenrolle ein Manifest der Krassheit statuieren will. Vor lauter Versatzstücken fällt es schwer überhaupt auszumachen, ob da gerade eine groteske Gangsterkomödie läuft oder doch eine unterkühlter Liebesfilm? Eine Tragödie oder ein neuer Kultfilm? Letzteres scheidet leider bald aus.
Mitchel (Colin Farrell) kommt gerade aus dem Knast und hat Mühe sich von den alten Gangsterkollegen fernzuhalten, die sich sogleich um ihn reißen. Nicht weniger Eindruck macht er auf die schönen Damen der oberen Gesellschaftsschicht Londons, so dass er im Nu in einer Art umgekehrten PRETTY WOMAN Romanze bei Starschauspielerin Charlotte als Beschützer vor bösen Paparazzi landet – ein weitaus weniger respektabler Job, als man annehmen möchte. Bei der Vielzahl der agierenden Personen fallen die jeweiligen Auftritte entsprechend knapp aus, weswegen LONDON BOULEVARD seinen Figuren markante Worte in den Mund legt, die immer wieder auch lustig und durchdacht sind, denen aber oft schon beim nächst größeren Zusammenhang – und sei es nur der Satz – die Kraft versiegt. Die wenigen Frauen des Films scheinen außer Rand und Band geraten und die dahinter stehenden Schauspielerinnen (Anna Friel als dummdreiste Schlampe und Knightley als labile Künstlerin) gefallen sich augenscheinlich in ihrer maßlos überdrehten und ausgeflippten Art, die ohne zweiten Blick als aufgesetztes Spiel zu enttarnen ist. Ähnlich fühlen sich wohl Männer, wenn sie sich als Cowboys verkleiden – am Fasching. Farrell bleibt über weite Strecken der einzig ernst zu nehmende Mensch dieser absurden Wunderwelt, doch der Plot zerfetzt auch diesen gründlich.
Auch ein sinnloser Film kann eine gewisse Stringenz entwickeln, siehe FEAR AND LOATHING IN LAS VEGAS. LONDON BOULEVARD wirft sich jedoch zu oft selbst über den Haufen, will zu viele der an sich hübschen aber nicht immer kompatiblen Ideen anbringen, schlägt zu offenkundig gewollt über die Strenge und hat zudem nicht genug Zusammenhang und Motivation, um seinem losen, roten Faden ohne passende Selbstironie folgen zu dürfen. Ob er damit den Ton des „Irish Noir“ Autors Ken Bruens getroffen hat, dessen 2001 erschienener, gleichnamiger Roman die Vorlage für den Film bildete? Mehr erweckt es den Eindruck, als wäre von den Worten über die Taten bis hin zu den Schauspielern alles vor Ort, um den Film zu einem „Zombie“ zu mixen. Stattdessen landet aber alles am falschen Platz, so als hätte jemand den Deckel vom Shaker vergessen. Wenigstens hat der Abgang einen starken Geschmack, der den von tausenden Filmzigaretten aufgekratzten Hals etwas beruhigt.
Nachtrag: Eddie Marsan war einmal mehr Klasse, wenngleich kaum zu sehen.
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Großbritannien, USA 2011
Dauer: 103 Minuten
FSK: 16
Regie: William Monahan
Drehbuch: William Monahan (Drehbuch)
Nach dem gleichnamigen Roman von Ken Bruen (2001)
DoP: Chris Menges
Musik: Sergio Pizzorno
Darsteller: Anna Friel, Ben Chaplin, Colin Farrell, David Thewlis, Eddie Marsan, Jamie Campbell Bower, Keira Knightley, Ophelia Lovibond, Ray Winstone, Sanjeev Bhaskar, Stephen Graham
Genre: Unbekannt, evtl. grotesk romantische Gangstertragödie
Im Kino: 01.12.2011
Im Web:
London Boulevard in der IMDb
Bilder und Trailer zur Filmkritik von London Boulevard auf der offiziellen Website
Copyright Trailer und Bilder: Central Film