Kalt, kantig, wenig mitreißend. Eine Inszenierung wie ein Modefoto, unbewegt und gefühllos.
Was kann man von einem Film erwarten, der im Vorspann für Take That wirbt? Einen Haufen Publicity um seichte Gewässer. So seicht, dass Milla Jovovich partout nicht untergehen will, obwohl sie ziemlich flach wirkt. Selbst wenn das Kino sämtliche elf Dimensionen der Supergravitation für sich nutzbar machte, bliebe ihre Leistung eindimensional. Aber Ehemann und Regisseur Paul W. S. Anderson findet Gefallen an ihren durchaus selbstgefälligen Posen und ist damit nach Luc Besson schon der zweite Regisseur, den die Amerikanerin serbisch-russicher Abstammung mehr als nur filmisch für sich begeistern konnte. Zwangsläufig fragt man sich, wer hier welche Rechnung aufmacht. Rechnet die Schauspielerin mit dem Regisseur, der sie inszeniert, wie sie will? Rechnet der Regisseur mit einem Star, der ihm den Film bringt, den er will? Rechnet der Produzent mit einem Regisseur, der gleich eine Hauptrolle mitbringt und im Doppelpack günstiger kommt? Wer rechnet mit den Zuschauern?
Die Zuschauer sind allemal einkalkuliert: Da wären die Luftschiffe, die Steampunk Maschinerie, die schöne Gabriella Wilde, eine Teenagerromanze, der Versuch von Disney Humor und freilich 3D. Aber vielleicht wurde ja zu viel kalkuliert und zu wenig geträumt, denn das alles zusammen ergibt eine Künstlichkeit, die den oft gefilmten Zinnsoldaten auf der Landkarte recht nahe kommt. Diese Miniaturen sind herrlich anzusehen, wie eine Art lebendiges Legoland, vor allem wenn sie feuern. Aber wie fügen sie sich in den restlichen Film ein? Genauso wie die dreidimensionalen Set Extensions: Als kuriose Lückenfüller für Bilder, die nicht existieren. Die Künstlichkeit markiert eine Art Flucht nach vorn, jedoch ist der Film nicht auf dieses Konzept geschnitten, was ihn unförmig erscheinen lässt. Gleiches gilt für den Humor, der in seiner überzogenen Tölpelhaftigkeit ebenfalls den Film zu zerreißen droht, zumal auch dieser nur sporadisch auftaucht und keine Kohärenz erreicht – zum Glück. So wird Cagliostro (Til Schweiger) etwa, der für einen erschreckenden Moment ein Bully Herbig Gefühl aufkommen lässt, im nächsten Moment schon den Abfluss hinab gespült. Der Film schafft es gar, den Zuschauer so wenig in ein atemloses Abenteuer einzubinden, dass gleich zu saubere Sets ins Auge stechen, ebenso wie zu flache 3D Compositings. Viel schlimmer aber wiegt für einen Abenteuerfilm, dass stets alles klappt. Dabei weiß der Film durchaus zu überraschen, nur überrascht er seine Helden nicht. Diese schaffen es trotz knapper zwei Stunden zudem nicht, sich zu entwickeln, denn es sind zu viele und es gilt allerhand Actionszenen abzugrasen. Vieles davon wirkt wie durchschnittlicher und oft gesehener Standard, ebenso wie die Musik. Dabei sind die auf bombastisch getrimmten Bilder nicht immer so großartig wie der Trailer suggeriert. Andererseits kommt der Filmgenuss, abgesehen von der Dauer, dem Trailererlebnis gefährlich nahe. Freilich gibt es auch tolle Bilder in DIE DREI MUSKETIERE, allein schon die fliegenden Schiffe begeistern. Und obwohl Freddie Fox mit der Rolle des König Louis einen der größten Tölpel des Filmes mimen muss, gelingt es ihm in wenigen Momenten einen handfesten Charakter zu etablieren, der hinter der Karikatur mehr erkennen lässt. Cardinal Richelieu alias Christoph Waltz behält nur scheinbar die Oberhand gegen ihn. Mehr als Waltz, hat der brachiale Mads Mikkelsen mit der kinderfilmtauglichen Rolle des Rochefort zu kämpfen. Wo der Spieltrieb des Österreichers leider Gefallen daran findet, den Machtmensch Richelieu als distinguierten Theatermephisto zu tänzeln, da leidet der Wikingerkörper Mikkelsens unter dem Zurechtstutzen durch Drehbuch und Richelieu. Erst ganz am Ende darf er mit seinem ganzen Körper spielen – man fürchtet sein Gegner D’Artagnan (Logan Lerman) könnte zerbrechen. Ähnlich ergeht es Orlando Bloom als Buckingham, dessen feine Züge — anders als bei Kollege Depp — unter zu viel Schminke und mit steifem Kostüm zu ersticken drohen. Übrig bleiben die drei Musketiere, die allesamt gut gefallen. Besonders Athos (Matthew Macfadyen), aber auch Aramis (Luke Evans) verleiht dem Film wenigstens ein wenig Bedeutungsschwere, sie kommen jedoch kaum ins Spiel. Für Leichtigkeit und tollkühnen Überschwang ist der jugendliche D‘Artagnan zuständig, dessen Einzug in Paris vielleicht der beste Part des ganzen Filmes ist – viel besser jedenfalls als der Titelsong von Take That „When we were young“ und D’Artagnan’s darauffolgende Teenagerromanze.
Diese Art von Film wird gerne unter der Kategorie Popcornkino verortet. Besser wäre zu sagen PopEye Kino, denn wo bei Popcorn noch etwas verinnerlicht wird, verschluckt sich das Glotzauge auch an scharfen Kanten nicht und konsumiert Oberflächen, ohne dass etwas durch den Magen gehen muss. Schließlich taucht der Zuschauer noch an einem letzten Punkt in der Kalkulation auf, denn geschätzte Produktionskosten von 60 Millionen Euro sind fordernd, also: Zur Kasse bitte!
Ähnliche Filme:
Indiana Jones
Information:
Titel: Die drei Musketiere 3D
Frankreich, USA, Großbritannien, Deutschland 2011
Dauer: 110 Minuten
Regie: Paul W. S. Anderson
Drehbuch: Alex Litvak, Andrew Davies
DoP: Glen MacPherson
Musik: Paul Haslinger
Darsteller: Logan Lerman, Juno Temple, Milla Jovovich, Orlando Bloom, Luke Evans, Ray Stevenson, Christoph Waltz, Matthew Macfadyen, Mads Mikkelsen, Til Schweiger, James Corden
Genre: Abenteuerfilm
Im Kino: 01.09.2011
Im Web:
Die drei Musketiere in der IMDb
Bilder und Trailer zur Filmkritik von Die drei Musketiere auf der offiziellen Website
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Bilder und Trailer © 2011 Constantin Film Verleih GmbH