Der große Crash (2011)

Der große Crash - Margin CalFinanzkrise: Wertpapierdealer mit Moral aber ohne Lösung. Bedrückende Krisenstimmung in einem erschreckenden Film.

Die Nervosität in MARGIN CALL ist ganz leise, unaufgeregt und intim. Es geht hier nicht um wirtschaftliche Zusammenhänge, nicht um Statistiken und Graphen, nicht um verteufelte Gekkos wie im durchschnittlichen WALL STREET (2010), nein, stattdessen wird an Werten, Gefühlen und Meinungen der Menschen gezerrt — solange, bis jeder nach-, wenn nicht gleich aufgibt. „Letztendlich hat keiner eine Wahl“, ist einer dieser Sätze, die man intuitiv nicht gelten lassen will und als faule Ausrede gewiefter Banker zurückweist. Das Schlimme aber an MARGIN CALL ist, dass er mit dieser resignierten Art eine Ausweglosigkeit beschreibt, die plötzlich Sinn zu ergeben scheint, wenngleich sie immer noch widerlich schmeckt. Gleiches gilt für die Zeichnung  ratloser Figuren, sowohl der Geier an der Wallstreet, als auch der echten, normalen Menschen, wie sie der Film nennt. Banker sind letztendlich die legalen Drogendealer einer unbedachten Gesellschaft. Werden die Drogen, die sie dealen, für illegal erklärt, findet sich schnell ein neues Papier, mit dem sich Milliarden und Abermilliarden scheffeln lassen. Werden die geldfixierten Dealer selbst verboten, rebelliert das Volk, denn sie wollen ein (vermeintlich) besseres Leben. Wer glaubt, dass die Herren in der ersten Etage sonderlich viel aus sich halten, wird in MARGIN CALL eines besseren belehrt. Das Talent der Bosse beschränkt sich darauf, die Schlauen für sich arbeiten zu lassen. Sie machen keine Hehl daraus, dass sie vieles weder Wissen noch verstehen, doch eins war ihnen schon immer klar: Ihre Geschäfte bewegen sich in einer Grauzone, am Rande der Legalität, wenn nicht schon dahinter — und der Kollaps kommt bestimmt. Schlussendlich ist der Mensch an sich das Problem, seine Dummheit, seine Gier, sein Größenwahn. Das zumindest ist die Rechtfertigung, die der Bankchef Tuld

Schöne Lügen von Spacey - Die Macht liegt nicht im Wissen, sondern im Überzeugen
Schöne Lügen von Spacey - Die Macht liegt nicht im Wissen, sondern im Überzeugen

(Jeremy Irons) für sich verwendet, um weiter seine Geschäfte führen zu können ohne sich daran zu stoßen, wie viele Menschen vom Markt gefegt und in die Armut gestürzt werden.

Wie einst Heinrich Mann in seiner DIE VOLLENDUNG DES KÖNIGS HENRI QUATRE den humanistischen Herrscher bemerken lies, dass er zwar auf die großen Tragödien des Lebens vorbereitet sei, ihn die Kleinen aber mit voller Heftigkeit träfen, so kämpfen hier die entscheidenden Charaktere am Rande des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, der persönlichen Perspektivlosikgkeit, am Rande auch der Legalität, der persönlichen Moral und des menschlichen Anstands mit viel Fassung. Als aber Rogers‘ (Kevin Spacey) einer eher marginalen Tragödie seines kaum existenten Privatlebens gegenüber steht, kann er sich nicht mehr halten und es bricht aus ihm heraus, stellvertretend für all die Schuld, die er auf sich sich geladen hat. In vielerlei Hinsicht versucht MARGIN CALL die Seite der bösen Jungs zu erklären, wenn nicht gar zu verteidigen. Dafür dient der junge Analyst Peter (Zachary Quinto) als Zugang in diese Welt. Neben seinem Chef Dale (Stanley Tucci), ist er einer der wenigen normalen Menschen in diesem surrealen Bankhaus geblieben. Doch auch er stößt an die Grenzen des für ihn fassbaren und vermag es nicht, das Richtige zu finden. Würde Regisseur und Drehbuchautor J.C. Chandor nicht am Ende ein eindeutiges Bild wählen, könnte man fast meinen, der Film sei von Banken finanziert, die clever genug sind nicht die Sympathien auf ihre Seite ziehen zu wollen, sondern die Nachsicht. So oder so bieten die 105 Minuten keinen schönen Ausblick und einen mindestens ebenso verstörenden Einblick, der, sofern man nicht Kenner der Branche ist, zumindest von menschlicher Seite sehr wirklich erscheint.

Der große Crash Margin Call Bettany Tucci
Was bleibt unterm Strich für Bettany und Tucci? Ein haufen Geld für fatales Versagen

Die außergewöhnlichen Schauspieler werden mit sicherer Hand inszeniert. Die Bilder bleiben wie der Soundtrack zurückhaltend und klar. Fast alles spielt sich an einem Tag im und ums Gebäude der namenlosen Bank ab. Die stets glimmenden Monitore verwaister Büros im fahlen Neonlicht zu früher Stunde machen die außergewöhnliche Krisenstimmung ebenso wie die resignierte Abgestandenheit greifbar. Und obwohl der Nutzen von Geld in dieser trockenen und klimatisierten Welt bestenfalls kurz durch ein überteuertes Auto oder die Fassade eines prächtigen Hauses zur Geltung kommt, so ist es doch alles, worum sich die Gedanken der handelnden Figuren drehen. Das Geld auf dem eigenen Konto, wie das Geld der Bank, welches damit eng verknüpft ist. MARGIN CALL saugt einen ganz heimlich auf, demontiert geschickt die anfängliche Wut und Abscheu und lässt stattdessen Betretenheit zurück – und viele Fragen.

Ähnliche Filme:

Wall Street, Inside Job

Information:

Engl. Titel: Margin Call

USA 2010

Dauer: 105 Minuten

Regie: J.C. Chandor

Drehbuch: J.C. Chandor

DoP: Frank G. DeMarco

Musik: Nathan Larson

Darsteller: Kevin Spacey, Zachary Quinto, Stanley Tucci, Carla Gugino, Simon Baker, Paul Bettany, Jeremy Irons, Mary McDonnell

Genre: Drama

Im Kino: 29.09.2011

Im Web:

Der große Crash – Margin Call in der IMDb

Bilder und Trailer zur Filmkritik von Der große Crash – Margin Call auf der offiziellen Website 

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Copyright Bilder und Trailer: Koch Media

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