Wenig dramtischer und dennoch hoch emotionalisierender Stimmungsfilm.
Terrence Malick, mit diesen Worten muss die Kritik beginnen. Wo BADLANDS und DAYS OF HEAVEN noch ein für den durchschnittlichen Kinogänger normales Maß an dramaturgischer Handlungsstraffheit besaßen, da bewegte sich DER SCHMALE GRAT schon deutlich davon weg und in Malick’s THE NEW WORLD schließlich tritt die Handlung derart in den Hintergrund, dass sie nur mehr das Kostüm abgibt für die überbordenden Emotionen, welche aus tiefsinnigen Gedanken und feinfühligen, haptischen Bildern gesponnen werden. Malick berührt damit schon fast die Transzendenz, die Darren Aronofsky in THE FOUNTAIN unterstellt wird und beschreitet damit einen Weg, in dem Filme losgelöst von allen Genreregeln ein Verständnis mit dem Zuschauer suchen, das der Logik von Träumen und vielleicht auch Gefühlen näher kommt, als dem der Dramaturgie. Der Moodfilm der Werbung mischt sich hier mit üppig an Mensch und Material ausgestatteten Hollywoodsets samt Stars. Dabei ist es die emotionale Verknüpfung einzelner bewegender Momente zu einer großen Stimmungsgeschichte über den Sinn des Lebens, die den Film zusammenhalten, wobei lange Zeitspannen und riesige Löcher im Momentum der Handlungsweiterleitung als vollkommen belanglos außen vor bleiben.
Der Geschichte von Pocahontas folgend, wird die Ankunft englischer Kolonialisten in der neuen Welt erzählt, die, obwohl nicht als Plünderer sondern als Siedler entsandt, bald in eine blutigen Konflikt mit den Einheimischen geraten. John Smith (Colin Farrell), dem Strick seiner Landsleute nur knapp entgangen, wird die gefährliche Aufgabe zuteil, als Mittler den König der Indianer Powhatan (August Schellenberg) aufzusuchen. Dass er der einzige Überlebende der kleinen Expeditionsgruppe bleibt, hat er nur Pocahontas (Q’orianka Kilcher), der Tochter des Häuptlings zu verdanken, die ihn rettet. Die Liebesbeziehung zwischen Pocahontas und Smith führt zur Einmischung der Indianerprinzessin in den Konflikt der Kulturen und so landet sie gegen Smiths Willen bei den Siedlern. Der in großen Selbstzweifeln lebende Abenteurer Smith kann das Glück, welches er mit diesem als absolut natürlich und rein gezeichnetem Mädchen in den Händen hält, jedoch nicht ertragen. Viel später werden sich die beiden wiedersehen und viel später wird nicht nur Smith verstehen, worum es im Leben geht, sondern auch Pocahontas den Weg zu Mutter Natur gefunden haben; und das schmerzt so sehr wie es schön ist.
„Soll ich dieses Geschenk nicht annehmen, das mir gegeben wird?“, fragt sich Smith, als er gepackt wird von der Liebe der jungen Prinzessin. Dieses Geschenk ist schließlich das Geschenk des Lebens selbst, und der Film stellt die Frage, warum wir es zurückweisen, warum wir uns töten, warum wir immer das verlangen, was wir nicht haben und dann immer mehr wollen, anstatt uns in dem zu finden, was uns gegeben wird. Als Smith am wenigsten hat, ist er am glücklichsten und als Pocahontas all ihre Reinheit, Natürlichkeit und scheinbar auch Liebe verloren hat, findet sie das Glück. THE NEW WORLD lässt ihre neuen Bewohner leiden, an Hunger, an Verzweiflung, an Folter und an Tod. Doch im entscheidenden Moment erfahren sie Hilfe, denn in der neuen Welt soll es, anders als in der alten, keine Gier geben, keine Rachsucht, kein Eigentum und keine Ausbeutung. Dieses hehre Ideal teilen indes nur wenige, selbst der König der Indianer bläst zum Krieg, als er seine friedliche Welt in Gefahr sieht. Wie haltlos seine Position ist, muss spätestens sein Kundschafter erkennen, der in London mit dem Auftrag, für jeden gezählten Engländer eine Kerbe in seinen Stock zu schnitzen, verwundert durch perfekt gepflegte Gartenanlagen irrt. Und sinnbildlich steht dieser Indianer für alle Menschen, im Garten des Seins, die versuchen das Leben mit Zahlen zu erschließen. Was wichtig ist im Leben (Smith’s Suche) bzw. Mutter Erde (Pocahonta’s Präokkupation) hat viele Gesichter. Dass man deswegen loslassen muss, um richtig zugreifen zu können, ist vielleicht das Credo in THE NEW WORLD.
Bilder und Trailer zur Filmkritik:
Trailer THE NEW WORLD
Information:
Jahr: 2005
Regie: Terrence Malick
Drehbuch: Terrence Malick
DoP: Emmanuel Lubezki
Darsteller: Colin Farrell, Q’Orianka Kilcher, Christian Bale, Christopher Plummer, David Thewlis, John Savage
Genre: Abenteuer, Biographie, Drama
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