Ironischer Sarkasmus: Brendan Gleeson jagt nicht nur Drogenschmuggler, sondern auch der dogmatisch unreflektierten Gesellschaft einen Schrecken ein. Filmtipp.
Regisseur und Drehbuchautor John Michael McDonagh hat ordentlich Dampf abgelassen mit THE GUARD und unmissverständlich klar gestellt, was ihm alles gegen den Strich läuft. Dumme Menschen, schlechte Filme, Political Correctness, Heuchler, Ignoranten und noch so einiges mehr. Protagonist dieses Unterfangens ist ein zynisch makabrer Mann, der nichts mehr zu verlieren hat. Er ist so tief im Morast des belanglosen Lebens versunken, dass er ohne sich zu bücken mit seinen Händen den Boden berührt. Doch er zieht einen einleuchtenden Nutzen aus dieser Misere: Er kann nicht zu Fall gebracht werden. Spöttelnd nennt er sich selbst korrupt, weil er das System hintergeht. Nur, wer ein korruptes System korrumpiert, kann so böse nicht sein. Eher schon ein Außenseiter im Namen der Gerechtigkeit, ein einsamer Sheriff tief im wilden Westen — Irlands: Hier genießt Sergeant Gerry Boyle (Brendan Gleeson) die beschissen schöne Welt mit Retro-Westernsoundtrack.
Man muss Boyle und dem Film eine gewisse Anlaufphase zugestehen, denn in den ersten Minuten kann man dieses
Urgestein von einem Menschen schwer einschätzen. Ebenso ergeht es FBI Ermittler Wendell (Don Cheadle), der sich beim ersten Treffen mit Boyle profunder, rassistischer Attacken ausgesetzt sieht, dabei wollte er doch über Drogen reden. Boyle jedoch spielt seine Karten geschickt aus, weiß, was er sich erlauben darf, wie er die Menschen anzupacken hat und dass es besser ist das dumme Arschloch zu spielen, als von den wahren Arschlöchern als ehrlicher Dummer über den Tisch gezogen zu werden. Dies äußert sich in provokanter Ironie, Zynismus und nicht zuletzt der lapidaren Körperlichkeit eines gewichtigen Mannes ohne Hemmungen und Skrupel. Und das ist lustig, bitterböse und gescheit. Indem Boyle ausspricht, was sich keiner zu sagen traut, stößt er jenen vor den Kopf, die zu dumm sind selbständig zu denken. Die halbwegs Vernünftigen lockt er so aus der Reserve ihrer selbstzufriedenen Feigheit. Wendell jedenfalls verbündet sich mit Boyle um Drogenschmuggler zu jagen, aber das macht THE GUARD noch lange nicht zu einem Kriminalfilm. Viel lieber teilt McDonagh aus, sei es gegen IRA, MI5 oder andere Kurzdenker. Obendrein kreiert er eine skurrile Westernstimmung im grün-grauen Irland. Vom Saloon über Freudenmädchen bis hin zum Showdown mit Geballer ist alles dabei, es gibt sogar ein Duell zwischen einem A- und einem Soziopath. Das alles wirkt nicht im Geringsten albern, Gleeson und Cheadle
bleiben in ihren Rollen ebenso überzeugend schräg wie Mark Strong als Bösewicht Clive. Der hat die Verblödung der Welt ebenso über wie Boyle und findet schließlich im Kampf gegen den unberechenbaren Polizisten seine Erfüllung: „Das ist ja besser als Weihnachten!“.
Die Figuren Boyle und Clive ersticken nur deswegen nicht an der Frustration des nicht verstanden Werdens, weil sie ihre Bildung und ihren Intellekt auf blödmöglichste Art unters Volk mischen, um anschließend das hervorgerufene Unverständnis zu genießen. Mindestens ebenso viel Selbstreferenzialität wie diese intellektuelle Masturbation beweist das freche Ende des Films. So sehr THE GUARD mit Vorurteilen und Klischees spielt, so wenig will er sich selbst in eine Schublade stecken lassen. Manchmal jedoch lässt Boyle die Doppelbödigkeit beiseite und man erahnt, was wirklich in ihm steckt. Wie in einem schwedischen Krimi belastet das Drehbuch den Helden mit einer schwerkranken Mutter. Mehrmals lassen Boyle’s Kommentare erahnen, dass Eltern eine der wenigen Instanzen sind, die er achtet. Anders als in einem Krimi verliert Boyle aber nicht die Beherrschung — er gewinnt begründeten Zynismus. Die Inszenierung ist fast immer treffsicher, die Schauspieler sind toll, das Drehbuch eine Freude, die Musik bis zuletzt sehr gelungen und der Film ein absoluter Tipp.
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Siehe MSN Movies
Information:
Engl. Titel: The Guard
Irland 2011
Dauer: 96 Minuten
Regie: John Michael McDonagh
Drehbuch: John Michael McDonagh
DoP: Larry Smith
Musik: Calexico
Darsteller: Brendan Gleeson, Don Cheadle, Liam Cunningham, David Wilmot, Rory Keenan, Mark Strong, Fionnula Flanagan, Dominique McElligott, Sarah Greene, Katarina Cas, Pat Shortt, Darren Healy, Laurence Kinlan, Gary Lydon, Ronan Collins
Genre: Komödie, Satire, Schwarzer Humor
Im Kino: 22.09.2011
Im Web:
Bilder und Trailer zur Filmkritik von Attack the Block auf der offiziellen Website
http://www.youtube.com/watch?v=c4NMzmKqTOk&feature=player_detailpage
Bilder und Trailer: © 2011 Ascot Elite Filmverleih GmbH