Männer ohne Frauen: Gebrochenheit, Pathetik, heroische Brachialität.
THE GREY ist einer dieser Liam Neeson Filme, der nicht wirklich schlecht ist, locker sein Geld macht aber ein wenig nichtsagend und seelenlos über die Leinwand flimmert. Die Bilder sind unspektakulär und gelungen, die Inszenierung und der Schnitt sprechen meist für kluges Storytelling und der Sound ist auch gut. Sonderlich tief eintauchen kann man in das aufgesetzte Drama um den Außenseiter Ottway (Liam Neeson) dennoch nicht, denn seine Trauer, seine gebrochene Lebenskraft und sein heroisch pathetisches, letztes Gefecht sind irgendwie trotzdem in der falschen Stimmung gedreht, um das fühlbar zu machen, was Bilder und Handlung heraufbeschwören wollen. Heraus gekommen ist ein Mehr und zugleich ein Weniger als ein Actionfilm.
Als Jäger soll Ottway die Arbeiter einer Ölgesellschaft in der Eiswüste Alaskas vor Wölfen schützen. Dass sich hier nur Versager und Abschaum herumtreibt, wird bestenfalls skizzenhaft bebildert, stattdessen übernimmt ein Voice Over, wie an anderen markanten Stellen auch, die emotionale Führung. Kurz darauf stürzt der Flieger in die Heimat mitsamt Ottway und den Arbeitern irgendwo im Eis ab. Was folgt ist ein Überlebenskampf, der sich recht schnell ausschließlich gegen die Wölfe richtet, die Blut geleckt haben. Im bewährten Prinzip wird so ein Überlebender des Absturzes nach dem anderen dezimiert, zwischendurch sorgen Flashbacks für eine emotionale Aufladung der vielen Tode und der eher unterkühlten Hauptfigur.
Kaum ergreifender verhält es sich mit den Nebenrollen, die wenig differenziert ausgearbeitet sind und den Eindruck erwecken, als würde sie die Rollen der dahingerafften Figuren einfach weiterreichen, um den obligatorischen Störenfried nicht zu verlieren. Die gemeinen Wölfe (digital und Animatronics) verhalten sich dem Film angepasst ziemlich unrealistisch – es stört jedoch, dass eine Katastrophengeschichte wie die eines Flugzeugabsturzes mit Überlebenskampf in der Wildnis physikalisch und logisch so unglaubwürdig erzählt wird. Lange Zeit wird nicht klar, wohin der Film eigentlich gehen will, denn er schwankt zwischen Action, Memento Mori und Tragödie. Die traurige Hintergrundgeschichte von Ottway hätte diese ungewohnte Kulisse des äußerlichen Katastrophengenres für eine innere Tragödie oder einen einfach nur sehr anderen Film nutzen können. Diese Tendenz bleibt aber nur im Ansatz erkennbar und der Film hängt nach allen Seiten in der Luft.
Trotz allem ist THE GREY – UNTER WÖLFEN nicht langweilig, wartet sogar mit gutem Galgenhumor auf und erinnert bisweilen an ein Kammerspiel in kreativ drapierter Studiokulisse. Überraschend verläuft die Story zwar nicht, der Plot ist aber dennoch unvorhersehbar und das Ende verrät, dass das Werk von Regisseur Joe Carnahan soviel mehr hätte sein können. Es stellt Fragen wie: Woran glaubt ein Mann, worum geht’s es einem Mann, was bedeutet das Leben eines Mannes? Aber die Beantwortung fällt ebenso unbefriedigend aus wie das Leben einer Handvoll harter Kerle unter Wölfen, fernab von jeder Frau – und das ist sogar gut, trotzig und bewegend. Als Allegorie kann der Film deshalb durchaus Punkten. Nur wie diese präsentiert wird, überzeugt nicht ganz. Und übrigens, bleiben sie sitzen bis der Abspann durch ist! 3,5 Sterne für das überraschende Anders und die gute Idee.
Ähnliche Filme:
Information:
Engl. Titel: The Grey
USA 2011
Dauer: 117 Minuten
FSK: 16
Regie: Joe Carnahan
Drehbuch: Joe Carnahan, Ian Mackenzie Jeffers
Nach dem Roman Ghost Walker von Ian MacKenzie Jeffers
DoP: Masanobu Takayanagi
Musik: Marc Streitenfeld
Darsteller: Liam Neeson, Dermot Mulroney, James Badge Dale, Joe Anderson, Frank Grillo, Dallas Roberts, Nonso Anozie, Larissa Stadnichuk, Ben Bray, James Bitonti, Jonathan Bitonti
Genre: Drama, Tragödie
Im Kino: 12.04.2012
Im Web:
The Grey – Unter Wölfen in der IMDb
Bilder und Trailer zur Filmkritik von The Grey – Unter Wölfen auf der offiziellen Website
http://www.youtube.com/watch?v=EH5y9Xau9GM
Copyright Bilder und Trailer: Universum