Kinderfasching mit Sexappeal zwischen dramaturgischen Abgründen und schönen Bildern.
Was für ein Kinderfilm! Kostüme und Maske wie auf einer Faschingsparty, eindimensionale Figuren und keine Spur von Spannung, Überraschung oder irgendwelcher anderer Emotionen. Bei einer Altersfreigabe ab 6 darf man sich hierüber wohl nicht beschweren, denn das anvisierte Publikum hätte für schwerere Kost wohl nicht die Aufmerksamkeit und das Weniger an Aufmerksamkeit, kombiniert mit einer gehörigen Portion Fantasie, macht diesen Film sicherlich zum Erlebnis. Jedoch darf an der Altersfreigabe in anderer Hinsicht von Zeit zu Zeit berechtigter Zweifel aufkommen.
Denn neben dem ein oder anderen durchaus passioniert inszenierten gewaltsamen Ableben, gibt es auch nackte Haut. In der Badewanne sitzt die von der vormaligen und ganz und gar nicht prüden Wetterfee von Canal+ gespielte Adèle gerade so hoch, dass ihre Brüste zu sehen sind. Zwar verkneift sich Besson noch mehr von ihr zu zeigen, dennoch zieht Adèle kokett durch den Film, wie Louise Bourgoin, ihr realer Widerpart, durch unsere Realität: Reizvoll, schlagfertig, selbstbewusst und vor allem niemals scheu. Und damit hat sie sich bereits vor allen anderen Charakteren des Films positioniert.
Schmalspurrollen und Bourgoin
Es gibt derer nämlich eigentlich nur zwei Sorten. Den einen beschreibt Adèle, den anderen alle übrigen Rollen: Adèle ist eine komödiantische und Kind gerechte Darstellung eines Helden, geradlinig und überdeutlich gezeichnet, aber eines Helden, den man sich tatsächlich als Menschen, auch in dieser skurrilen Welt, denken kann. Alle anderen sind bloße Karikaturen ohne Unterbau, leere Masken gewissermaßen, nur dazu da, der Heldin das Bild auszuschmücken. Folgerichtig hat der Großwildjäger nur Jagen im Sinn, der dicke Inspektor nur das Essen, der Böse nur das Böse sein, der Professor nur die Wissenschaft und der Verliebte nur die Liebe. Schauspielerisch kann sich in diesem Umfeld von Schmalspurrollen nur Bourgoin auszeichnen, der – im übertragenen Sinne gesprochen – im Louis de Funès`schen Nein-Doch Dialog immerhin auch noch das OHHH zufällt.
Maßlos unterforderte Protagonistin
Nur einmal, während eines Flashbacks zum beinahe Tod der Schwester von Adèle, gelingt es dem Film fast eine Emotion zu manifestieren. Da der Schmerz aber nur kurz in diesem verspielt leichtfüßigen Werk ausharren darf, bleiben Emotionen weit hinter dem Abenteuer zurück, welches neben dem einfachen Humor vor allem von den Kulissen, den Spezialeffekten und der Action mühsam über Wasser gehalten wird. Schade, dass Regisseur Besson seine Heldin, die nicht einmal Selbstzweifel kennt, niemals in ernste Gefahr bringt. Auch ein Sechsjähriger ist es gewohnt, um seinen Helden bangen zu müssen. Der Konflikt ist und bleibt nun einmal essentiell für die Dramaturgie. ADÈLE UND DAS GEHEIMNIS DES PHARAOS kennt Konflikte nur als nebensächliches und lästig retardierendes Moment, welchem keine große Bedeutung zukommt, zumal ohnehin alles im Nu gelöst sein wird. So erscheint der Film irgendwie antriebslos und die Protagonistin maßlos unterfordert.
Obwohl der Film in famoser „Amélie“ Manier beginnt – die Figuren werden per charmanter Erzählerstimme und fluchser Montage eingeführt – bleibt die Gänsehaut aus. Bessons Imitation von DIE FABELHAFTE WELT DER AMELIÉ bleibt oberflächlich. Die zwar liebenswerten, skurrilen Typen haben nicht mehr zu enthüllen, als was wir in den ersten Minuten bereits erfahren, weswegen ADÈLE UND DAS GEHEIMNI DES PHARAOS vielleicht eher mit Jeunet’s letztem Film, den MICMACS zu vergleichen wäre, der ebenfalls überzogen kindisch und irgendwie fade war.
Bilder und Trailer zur Kritik von Adèle und das Geheimnis des Pharaos
http://www.adele-und-das-geheimnis-des-pharaos.de/
Information
Regie: Luc Besson
Darsteller: Gérard Chaillou, Gilles Lellouche, Jacky Nercessian, Jean-Paul Rouve, Laure de Clermont-Tonnerre, Louise Bourgoin, Luc Besson, Mathieu Amalric, Nicolas Giraud, Philippe Nahon, Serge Bagdassarian
Genre: Kinderfilm, Abenteuer, Fantasy
Schulnote: 3