Todernst zum Lachen: DREDD ist THE RAID auf Steroiden.
So unförmig und plump wie die „retro-science-fiction“ Motorräder in DREDD gestaltet sind, so bewegt sich auch der gleichnamige Held des Films mit seinen schweren Stiefeln stampfend durch Mega City One. Hinter dem einfallsreichen Namen steckt ein Koloss von einer Riesenstadt, in der sich 800 Millionen Bewohner der Endzeit tummeln. Dredd (Karl Urban) ist ein Judge, der als Richter, Geschworener und Vollstrecker quasi die mobile und autonome Umsetzung des Staates sicher stellt – oder wie er selbst es nennt: Ich bin das Gesetz! So weit so gut, nur – es gibt viel zu viele Menschen und zu wenige Judges. Von den vielen Verbrechen können nur wenige Prozent überhaupt bearbeitet werden und dementsprechend hübsch gestaltet sich das Leben im postapokalyptischen Zeitalter, wo der größte Spaß eine Droge Namens Slow-Mo ist, die dem Gehirn vorgaukelt, die Zeit würde nurmehr mit einem Prozent der Geschwindigkeit ablaufen.
Den ganzen Film über kann der robotische Dredd freilich nicht nur herum stampfen, aber es bedarf schon schwerer Geschütze, um einen Mann mit der Anmut eines Güterzuges aus dem Gleis zu werfen. Mit der Mutantin Anderson (Olivia Thirlby) im Schlepptau, die bei Dredd gerade ihre Prüfung zum Judge absolviert, verschlägt es die Ein-Mann-Armee in einen Wohnblock mit städtischen Ausmaßen, wo drei Morde zu untersuchen sind. Untersucht werden muss aber nicht wirklich viel, die Schuldigen stehen gleich fest und es geht vielmehr um die Anwendung des Gesetzes. Also um Liquidation! Mit auffallender Ähnlichkeit zum malaiischen Actionhammer THE RAID sind die bösen Buben um Gangleadrin Ma-Ma (Lena Headey) zumeist die Bewohner des gigantischen Gebäudekomplexes. Und wieder muss der Held sich gegen eine absurde Übermacht durch die Etagen kämpfen. Irgendwann gibt es für Dredd und Anderson nur noch zwei Möglichkeiten: Die Stellung halten oder verstecken. Dredd wählt den Angriff!
Ganz anders als in THE RAID geht es in DREDD aber keineswegs um einen Exzess im physischen Purismus. Die Science-Fiction Kulisse beschert dem Film allerlei technische Spielereien – meist explosiver Natur -, Andersons Mutation erlaubt ihr in die Gedankenwelt anderer einzudringen und irgendwann schaffen es auch andere Judges in das nach außen hin abgeschottete Gebäude einzudringen. Die eher einseitige Haupthandlung bleibt so abwechslungsreich genug, um 95 Minuten intensiv zu unterhalten. Die größte Freude bereitet jedoch Karl Urban, obwohl dessen herabgezogene Mundwinkel das einzige sind, was der Film von seinem unrasierten Gesicht gewillt ist zu zeigen. Doch hinter dem peinlich gestalteten Helm, der selbst jene von Sylvester Stallone in der ersten JUDGE DREDD Verfilmung getragene Kopfbedeckung schick aussehen lässt, versteckt sich ein schlauer Kerl mit einem Rückgrat wie ein Stahlträger.
Auf Dauer ist es unmöglich diesem astronomischem Heroismus, dieser eklatanten Unnachgiebigkeit und dieser bodenlosen Coolness ohne Lachen zu begegnen. Regisseur Pete Travis hält die Zügel dennoch fest in der Hand und provoziert mit seiner überdrehten Comicverfilmung das Gelächter sogar, welches die kindische Freude am Gesehenen erst erlaubt, indem es all die albernen Übertreibungen durch das Lachventil nach draußen prustet und nur die Erregtheit zurückhält. Der Einsatz der Kontrastfigur Anderson trägt hierzu ebenso bei wie die Bestückung des Actionreißers mit tollen Schauspielern, die sich ohne mit der Wimper zu zucken in das Comicszenario 2000 AD von John Wagner aus dem Jahr 1977 hineinleben.
DREDD ist eine Wucht, von der elektronischen Musik über den Pathos bis hin zu den teilweise großartigen 3D Bildern. Die psychedelisch glühenden Drogentrips voller Spektralpartikel in Superzeitlupe scheinen wie prädestiniert für 3D und tragen ebenso dick auf wie manches Gewaltbild. Eine emotional verletzende Gewalt sucht man in DREDD, der in jedem Moment Vollfantasy bleibt, aber vergeblich. Stattdessen bleibt die Schwungmasse voll ausgewuchtet und läuft rund: Traumfabrik-Kino eben.
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