Der Albaner (2010)

Der AlbanerVon einem der aufbricht, weil er Leben will und sich schuldig macht, weil er überlebt. 

Es könnte ganz schön schön sein, dieses Albanien, dem man ja sonst eher aus dem Weg geht, genauso wie den Leuten von da. Aber DER ALBANER deutet die Pracht nur an, die sich zeigte, wäre Albanien entsprechend wohlwollend gefilmt worden. Stattdessen gönnt sich der Film kaum etwas Schönes außer ihm, dem Albaner, Arben (Nik Xhelilaj) und schert sich auch in seinem Fall nicht sonderlich darum, ihn ins rechte Licht zu setzen. Passend zur Geschichte, die ebenfalls stark an einen Dokumentarfilm erinnert, entstehen die Bilder in langen und wenig geschnittenen Takes, aus der Hand gefilmt. Da ist es schon mal dunkel, verwackelt oder unübersichtlich. Schon die Eröffnungsbilder an der griechisch-albanischen Grenze sorgen für Konfusion, da kaum auszumachen ist, wer denn nun wohin will. Die Albaner etwa nach Griechenland? Falsch gedacht, denn sie wollen nach Hause. Arben und seine Familie waren nur zum Arbeiten in Griechenland. Verdienst: 150€ Pro Kopf und Monat nach Abzug der Unkosten. Aber nach Deutschland will er nicht, auch wenn es lukrativer sein soll.

Obwohl Arben ein Erwachsener Mann ist und hochgewachsen dazu, muss er seine Freundin Etleva (Xhejlane Terbunia ) heimlich treffen, hinterm Stadel. Etleva soll verkauft, d.h. verheiratet werden und ist für Arben tabu. Als die Treffen hinterm Stadel Wirkung zeigen, braucht der junge Albaner dringend Geld, sonst wird er sie nie wieder sehen. Und dann ist er in Deutschland. Einfach so. Steht an einer Tankstelle. Mit Wörterbuch. Oh je! Der Film bleibt ganz nah an ihm dran und begleitet ihn Schritt für Schritt bei dem wahnwitzigen Versuch, als Ausländer ohne Papiere in Berlin in wenigen Monaten soviel Geld auf die Seite zu bekommen, wie ein Friseur in 8 Monaten brutto verdient. Auf legalem Wege scheint dies nicht möglich zu sein, das Unheil in der Luft drängt auf Entladung, doch Regisseur Johannes Naber hält seine schützende, deutsche Hand über den Protagonisten. Vor allem jedoch kann der Albaner nicht beschützt werden, denn das Drehbuch schreit nach Konflikt. Die ausgeflippte Art, wie dieser dann seinen Weg in den Film findet, passt wenig zur restlichen Erzählung, die die wahre Geschichte eines echten Albaners in Berlin hätte sein können. Die Konsequenzen hieraus passen aber zur gewollt tiefschürfenden Bedächtigkeit des Films, die sich, obwohl die abwartende Inszenierung oftmals und lange darauf spekuliert, nicht immer einstellen will. Deswegen wirkt der Film auf die Dauer ziemlich langsam – eine dramaturgische und optische Effizienz wie im Mainstreamkino hätte aber auch diesem Film hier und da weitergeholfen, was nicht heißt, sein Minimalismus würde nicht funktionieren.

Die große Stärke von DER ALBANER liegt aber im Thema und macht ihn zu einem aufklärenden Denkanstoß. Er erinnert die Deutschen daran, dass die, denen auf dem Bürgersteig lieber ausgewichen wird, verzweifelte, Hilfe suchende und ausgestoßene Menschen sind. Man hat Angst vor ihnen, weil sie illegal sind und weil Illegale kriminell sind. Selten denkt man an ihre Frauen und Kinder zu Hause, an die Schieber und Kriminellen, die sie in der Hand haben und an die totale Aufgeschmissenheit eines Menschen, der in ein fremdes Land geworfen und auf sich alleine gestellt Erfolg haben muss, um zu überleben. Ein Deutscher wähnt sich schon in Spanien dem Nervenzusammenbruch nahe, wenn ihn drei Tage kein Flieger aus dem Urlaub zurück bringt, weil Vulkane wüten und er sich infolgedessen nur auf Englisch verständlich machen kann. Was also muss in diesen Menschen erst vorgehen? Obwohl es scheint, als hätte Johannes Naber seine Figur bis zur letzten Minute beschützt, geht aus diesem Film keiner unversehrt hervor, was auch dem treffenden Spiel von Nik Xhelilaj zu verdanken ist. Was in ihm vorgeht, begreift Arben selbst erst ganz am Ende, nachdem er bis hierhin alles durchgezogen hat: Es gibt kein zurück mehr.

Information:

Alb. Titel: Shqiptari

Deutschland, Albanien 2010

Dauer: 105 Minuten

Regie: Johannes Naber

Drehbuch: Johannes Naber, Andeta Spahivogli, Christoph Silber, Alexander Steimle

DoP: Sten Mende

Musik: Oliver Biehler

Darsteller: Nik Xhelilaj, Ivan Shvedoff, Xhejlane Terbunja, Stipe Erceg, Amos Zaharia, Çun Lajçi, André Hennicke, Luan Jaha, Eva Löbau, Yllka Mujo, Bruno Shllaku

Genre: Drama

Im Kino ab: 04.08.2011

Im Web:

Der Albaner in der IMDb

Bilder und Trailer zur Filmkritik von Der Albaner auf der offiziellen Website 

http://www.youtube.com/watch?v=DS9o3vW7Zl8

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