Liebe im richtigen Leben: Einfach, charmant, schmerzvoll, zum Scheitern verurteilt. BLUE VALENTINE ist kein Film sondern ein Erlebnis, so echt, verstörend und sinnlos wie das Leben selbst. Keine große Geschichte, sondern Tragik ohne Dramatik, die das Gesicht in versöhnlicher Trauer zur Ausdruckslosigkeit entspannt. Besonderer Film.
Oft sitzt die Kamera auf einem Stativ, irgendwo im Raum, und klebt die Bilder mit sehr langer Brennweite an die Gesichter von Dean (Ryan Gosling) und Cindy (Michelle Williams), indem sie versucht ihre Bewegungen und Gänge mit zu schwenken. Wie ein den Kopf renkender Beobachter, der auf dem Sofa sitzt und sich alles ganz genau ansieht, aber dennoch nicht näher tritt oder eingreift. Deswegen gehen die Gesichter auch zwischendurch verloren, werden unscharf, dann wieder eingefangen, neugierig und doch distanziert. Ganz anders als im Sozialdrama ist deutlich zu spüren, dass da eine beobachtende Kamera vor Ort ist und anders als im Independent Liebesfilm, will sie trotzdem nicht nah ran, was ja den Eindruck erwecken könnte, sie wüsste was. Sie weiß nichts. Sie sieht nur das Leben um sich herum geschehen, genau wie Dean und Cindy. Auch die beiden stecken drin und können es nicht kontrollieren, werden hochgespült und nach unten gezogen, werden von Leben und Liebe überrollt wie von einem Sattelschlepper mit Samtbereifung. Obwohl ihnen genau das immer bewusster wird, können sie nichts dagegen tun. Regisseur Derek Cianfrance zerschlägt bewusst die Chronologie, die den Anschein erwecken könnte, als gäbe es hier doch eine Geschichte zu erzählen, die sich in irgendeiner Weise anmaßen könnte zu wissen, wie die Gefühle zu beurteilen oder gar zu leiten seien. Stattdessen jagen sich die Fragmente durch die Zeit, das Chaos folgt dem Glück und was übrig bleibt ist ein Haufen versprengter Erinnerungen, die einfach kein kohärentes Bild mehr ergeben wollen. Es ist die jedem Menschen bekannte, dekonstruierende Vielheit des uneinheitlichen Blicks auf sich selbst und die eigenen Erinnerungsfetzen, die BLUE VALENTINE so unbarmherzig echt macht und ihm gleichzeitig so massiv die Substanz raubt. Cindy und Dean sind eben Cindy und Dean, da gibt es nichts zu analysieren. Es ist Liebe auf den ersten Blick, Romantik und Charme bis zum verrückt werden, Geborgenheit und Halt, Gegensätze und Diskrepanz, Unnachgiebigkeit und Rücksichtslosigkeit, Enttäuschungen und Zeit. Und die Zeit ist es, die die Gefühle erst einbrechen und dann verschwinden lässt, die Cindy zum Zweifeln bringt, ob sie sich auf Gefühle verlassen kann, die sich schon im nächsten Moment in Luft auflösen. Wie in Chris Markers SANS SOLEIL scheint BLUE VALENTINE dem Glück mit dem Schwarzband nachzuspüren: Sollte sich das Glück nicht zeigen, so wird man wenigstens das darauf folgende Schwarz sehen, welches das Glück nun wenigstens durch seine Abwesenheit konstatiert.
Dean ist so gut für Cindy, dass er ihr irgendwann nur noch schlecht tut. Was sie vormals an ihm liebte, muss sie jetzt hassen, was sie vormals hasste, macht ihr plötzlich wieder Avancen. Dean erschafft ihr die perfekte Romanze, streicht die ganze Welt bunt, doch kleistert dadurch alles mit seiner Ignoranz zu. Williams und Gosling spielen sehr überzeugend auf, die Dialoge erscheinen teilweise improvisiert und sind treffend banal. Kurze, fatal gefilmte Sequenzen erinnern mehr an Homevideo als an Red oder 416 und verleihen dem Ganzen viel Authentizität. Nebst nur scheinbar beliebigen Szenen der beiden finden sich kurze Episoden, welche die Protagonisten in Gesprächen mit Freunden oder Familie zeigen, meist über ihre Gefühle und den Umgang damit sprechend. Alles in allem hat Derek Cianfrance sehr genau beobachtet, wie Paradox die Liebe ist, weswegen das Sammelsurium BLUE VALENTINE keineswegs so chaotisch ist, wie es scheint. Aufgrund der Widersprüchlichkeit des Themas und der konsequent unprätentiösen Umsetzung aber, ist der Film schlichtweg dazu verdammt keine Antwort zu geben – und das ist traurig und schön.
Ähnliche Filme:
Sans Soleil, Andere Meinungen zu ähnlichen Filmen wie Blue Valentine (Wie ein einziger Tag)
Information:
USA 2010
Dauer: 112 Minuten
Regie: Derek Cianfrance
Drehbuch: Derek Cianfrance, Cami Delavigne, Joey Curtis
DoP: Andrij Parakh
Musik: Grizzly Bear
Darsteller: Michelle Williams, Ryan Gosling, Mary-Ann Plunkett, Maryann Plunkett, Mike Vogel, John Doman
Genre: Tragödie, Romanze
Im Kino ab: 04.08.2011
Im Web:
Bilder und Trailer zur Filmkritik von Blue Valentine auf der offiziellen Website
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Copyright Bilder und Trailer: Senator