Märchenfilm für Erwachsene, der zum Träumen anregt und die Welt verzaubert.
Der Fischer Syracuse (Colin Farrell) wurde in seinem Leben nicht gerade vom Glück verfolgt. Immerhin ist er dem Alkohol entronnen, was seine Exfrau nicht von sich behaupten kann. Ausgerechnet bei dieser jedoch lebt seine kranke Tochter Annie ( Alison Barry), die im Rollstuhl sitzt und auf eine Spenderniere wartet. Als er eines Tages in seinem Fischernetz eine bezaubernd schöne Frau findet, wendet sich plötzlich das Blatt und nebst vollen Fangnetzen hat er auch die volle Aufmerksamkeit seiner Tochter wieder, die in der Fremden schnell eine Selkie ausmacht, ein Fabelwesen, dass von Seehunden abstammt. Die Frau selbst nennt sich Ondine (Alicja Bachleda-Curus) und gibt allerhand Rätsel auf. Schon bald fürchtet sich der kleine Fischer vor der übermenschlichen Schönen und wähnt ein Unglück nahen. Unfähig sein Glück zu ertragen, verstößt er Ondine, doch in diesem Spiel hat seine aufgeweckte Tochter Annie auch ein Wörtchen mitzureden.
Regisseur und Drehbuchautor Neil Jordan lässt ganz zart und zerbrechlich das Übersinnliche in eine schmutzige und harte Realität einsickern, so als müsste es beschützt werden gegen Desillusioniertheit und Resignation. Die dabei gewählte filigrane und reine Musik passt zum Märchenthema, trägt streckenweise sehr dick auf, hält aber mit traurig, verzaubernden Gitarrenklängen alles sicher zusammen. Die oftmals ausgestellte und akribisch inszenierte natürliche Schönheit und Anmut von Schauspielerin Alicja Bachleda-Curus (ähnlich Milla Jovovich in DAS FÜNFTE ELEMENT) steht dabei in krassem Gegensatz zum ungepflegt und verdruckst wirkenden Colin Farrell, dessen typisch leidender Gesichtsausdruck in ONDINE – DAS MÄDCHEN AUS DEM MEER eher weniger Fans zum Schmachten bringt. Überhaupt spielen beide Hauptrollen passend zurückhaltend und naiv, wohingegen die junge Alison Barry sich mächtig und treffsicher ins Zeug legt.
Ondine schließlich ist das erhabene Wesen, das sich ein jeder sehnsüchtig wünscht, um das Besondere in der eigenen Mittelmäßigkeit zu entbergen, was die allseits umgebende Niedertracht meist nicht zulässt – sie ist gewissermaßen das Gegenstück zum Prinz auf dem weißen Ross. Alle in der Kleinstadt starren sie unverhohlen an und am unglaublichsten scheint wohl, wie der ehemalige Trinker Circus, so Syracus Spitzname, zu dieser Frau kommen konnte. Dabei kann das Märchenwesen, vielmehr als ein reicher Prinz oder ein berühmter Schauspieler, eine facettenreichere Projektionsfläche bieten, für nicht nur alle irdischen Fantasien, sondern darüber hinaus für all das, wovon wir noch nicht einmal zu träumen wagten. Regisseur Jordan spielt bewusst mit dieser menschlichen Sehnsucht und Hoffnung auf Erlösung und übersieht dabei auch das hiermit einhergehende Dilemma des Menschen nicht, der ein Glück, das seine Vorstellungskraft überschreitet, nicht akzeptieren kann.
„Weil ich zu keinem Gebrauch bestimmt bin und ihr euch nicht zu einem Gebrauch bestimmt wusstet, war alles gut zwischen uns.“, so Ingeborg Bachmann in ihrer Version der Geschichte mit dem Titel UNDINE GEHT. Ganz ohne Gebrauch landet auch Ondine im Netz des Fischers, der sich selbst wiederum ohnehin nicht mehr gebraucht fühlt und so fängt alles ganz gut an. ONDINE – DAS MÄDCHEN AUS DEM MEER will, dass wir an das Gute glauben und ihm folgen, wie unserer Fantasie. Wer das gerne tut, wird den Film mögen, trotz oder vielleicht gerade wegen der Märchenklischees wie armer Fischer, Kind im Rollstuhl, Meeresnymphe und Sommerkleid trotz Mützenkälte.
Offizielle Webseite Ondine – Das Mädchen aus dem Meer
Informationen:
Originaltitel: Ondine
Land/Jahr: USA 2009
Dauer: 111 Minuten
Regie: Neil Jordan
DoP: Christopher Doyle
Musik: Kjartan Sveinsson
Darsteller: Colin Farrell, Alicja Bachleda-Curus, Allison Barry, Tony Curran, Stephen Rea, Tom Archdeacon, Dervla Kirwan, Norma Sheahan, Emil Hostina, Don Wycherley
Kinostart: 21.10.2010
Im Web:
Ondine – Das Mädchen aus dem Meer in der IMDb