Nobody Knows (2004)

Nobody KnowsUnsagbar trauriger und gefühlvoller Film über die Würde des Lebens, entdeckt mit teilweise zu unschuldigen Kinderaugen. Heftig.

Auf einer wahren Begebenheit beruht die schockierende und tragische Geschichte, die Japans vielbeachteter Regisseur Hirokazu Koreeda in NOBODY KNOWS erzählt. Worum keiner weiß ist, dass der zwölfjährige Akira (Yûya Yagira) mit seinen drei kleineren Geschwistern allein lebt. Im Koffer verfrachtet die Mutter die Kleinen in die neue Wohnung, damit die Vermieter und Nachbarn nicht erfahren, wie viele Kinder hier auf engstem Raum hausen. Einzig Akira ist berechtigt, auch in der Außenwelt vorstellig zu werden, alle anderen dürfen noch nicht einmal den Balkon betreten. Wo Shigeru (Hiei Kimura) und Yuki (Momoko Shimizu) das Treiben mit kindlicher Fügung noch spielerisch ertragen, wird Kyoko (Ayu Kitaura), die bereits um die elf Jahre alt ist, zusehends apathisch. Zu gerne wäre sie in die Schule gegangen, wie die anderen auch. Doch die Mutter lässt es nicht zu und überlässt die Kinder kurz darauf gänzlich sich selbst.

NOBODY KNOWS ist trotz Kinderdarsteller, wahrer Begebenheit und Sozialdrama ein sehr stilisierter Film, der die Wirklichkeit rührend verzeichnet; und sie vielleicht hierdurch recht treffend wiedergibt. Die zunehmende Verwahrlosung der Kinder wird vor allem äußerlich bebildert, wohingegen sie ansonsten, vor allem zu Beginn, viel zu anständig und umsichtig für ihr Alter agieren – vor allem in diesen Verhältnissen. So wird stets die Unschuld der Kinder betont, die auf eigene Faust in die Welt hinein Leben und eine Selbstverständlichkeit für ihr Elend entwickeln, die zutiefst traurig macht. Auf der anderen Seite stimmt NOBODY KNOWS fröhlich mit ein, wenn kleine Freuden den Alltag der Kinder erheitern. Zwar zeigt sich die Rührseligkeit ungeniert und musikalisch forciert, wenn die Geschwister beginnen Blumen zu pflanzen oder Akira sich bemüht, die guten Seiten der schlechten Mutter nachzuahmen, die Abwesenheit Erwachsener nimmt diesen Szenen jedoch meist die Eitelkeit, anderen gefallen zu wollen.  Dass diese Abwesenheit Erwachsener bei so jungen Akteuren überhaupt spürbar wird, weist auf eine gekonnte Inszenierung hin, genauso wie die simple und effektive Art Emotionen mit direkten Verbildlichungen allegorisch zu vermitteln. Dingen und Worten kommt dabei eine große Bedeutung zu, bei Aktionen hingegen wird der Film unsicher. Als Akira vermeintlich des Diebstahls überführt wird, steht das Schicksaal der Kinder auf Messers Schneide. Obwohl die Szene aus einer unbeteiligten Haltung erzählt werden soll, mangelt es der Handlung an Konsistenz. Wie Koreeda hingegen das Befinden der ältesten Tochter anhand ihres Spielzeugklaviers beschreibt, wird unvergesslich bleiben.

Tatsächlich gibt es Menschen, die um die Situation der Kinder wissen, aber aus guten oder schlechten Gründen nicht eingreifen. Nicht zuletzt Mutter Keiko (You) lädt sich hierbei Schuld auf, mehr noch durch die Manipulation der folgsamen Kinder und den damit einhergehenden Mißbrauch der Verantwortung, als durch ihren Egoismus. Schauspielerin You, mit ihrer frechen Stimme, verkörpert diese nonchalante Frau sehr überzeugend und verleiht ihr genug Sympathien, um die Schuldfrage nicht zwingend werden zu lassen, denn das ist nicht das Thema von NOBODY KNOWS. Was ist es dann? Am Ende wird der Film unerträglich schlimm und entfernt sich auch immer mehr von der wahren Geschichte, die eigentlich noch viel schlimmer, dadurch aber auch viel unfassbarer ist. Koreeda entscheidet sich bewusst das Leben zu würdigen, indem er eindringlich mahnt. Ein unvergesslicher Film.

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Das Streben nach Glück

Information:

Jap. Titel: Dare Mo Shiranai

Japan 2004

Dauer: 141 Minuten

Regie: Hirokazu Kore-eda

Drehbuch: Hirokazu Kore-eda

DoP: Yutaka Yamasaki

Musik: Gontiti

Darsteller: Yûya Yagira, Ayu Kitaura, Hiei Kimura, Momoko Shimizu, Hanae Kan, You

Genre: Drama, Tragödie

Im Kino: 07.04.2005

Im Web:

Nobody Knows in der IMDb

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