Der schwierige Umgang mit Gewalt, gekoppelt mit Scham, ergänzt durch Verlust, potenziert mit Vorbildfunktion und zur Explosion gebracht durch Menschlichkeit: Wir leben nicht IN EINER BESSEREN WELT.
Einmal mehr kreuzt Regisseurin Susanne Bier die Familie mit der Gewalt und konfrontiert ihre Protagonisten mit den Themen Sterben und Töten. IN EINER BESSEREN WELT erscheint trotz der Mitwirkung der Regisseurin beim Drehbuch als sehr maskuliner Film. Erzählt wird die Geschichte zweier Söhne, denen die Väter fremd geworden sind. Der Blick der Väter auf das Leben erscheint den Jungen falsch, angesichts der ständigen Gewalt, mit denen ihr überdramatisierter Alltag ihnen aufwartet.
Die Themen des Films mögen realistisch sein, ihre Inszenierung jedoch entfernt sich erfreulicherweise genausoweit vom Alltag wie das Schleudern der Handkamera vom Dokumentarischen. Dabei könnte das von den meisten Darstellern gebotene Schauspiel gerne auf diese aufdringliche Beschleunigung verzichten, allen voran das Mikael Persbrandt‘s als Anton. Sein wuchtiges Gesicht – dem man auch einen tiefer gelegten Golf zutraut – gleicht trotz im Film gelebtem Pazifismus hin und wieder exakt dem seines Kollegen Mads Mikkelsen, der erst kürzlich in VALHALLA RISING mit seinem bloßen Antlitz brachial neu definierte. Aber Anton hält sich im Zaum, sehr zur Enttäuschung der Jugendlichen, die fortan beschließen konsequenter auf Gewalt zu reagieren.
Immer wieder schafft es der Film jenes Gefühl aus Kränkung, Wut und Scham heraufzubeschwören, dass all jenen bekannt sein dürfte, die schon einmal unter den vor Wut und Dummheit blitzenden Augen ihres Aggressors Schläge hinnehmen mussten. Bloß nicht zurückschlagen und sich auf das Niveau eines Idioten begeben, versucht der hünenhafte Anton seinem Sohn Elias (Markus Rygaard) und dessen Freund Christian (William Jøhnk Nielsen) zu vermitteln, doch seine besonnene Überzeugung gleicht eher einer Schmach, nicht nur in den Augen der Teenager. In symmetrischer Spiegelung wiederholt Bier dieses Thema von allen Seiten. Beide Väter müssen sich in noch viel extremeren Situationen verantworten, ebenso ihre Söhne, die den Vätern eben dann entgleiten, als auch diese Taumeln.
Selbst eine mögliche Entstehung der Gewalt wagt IN EINER BESSEREN WELT aufzuzeigen, was der stark inszenierten Rolle des Christian sogar gelingt, dessen Konsequenz die meisten Zuschauer stutzig machen dürfte. Fehler machen aber ohnehin alle Figuren, verwunderlich ist abschließend nur, dass einer der krassesten Aussetzer – ausnahmsweise von weiblicher Seite – ganz ohne Tadel bleibt und deshalb sexistisch oder als verdichtender Kick wahrgenommen werden muss, was beides nicht glänzt. Wie dem auch sei, in einer besseren Welt würde es all dies nicht geben. Nur ist die Welt nicht besser und die Menschen müssen sich den Problemen stellen, die sie nicht lösen können.
Bis auf wenige Szenen vermag Susanne Biers Film zu bannen und funktioniert schlichtweg gut. Dennoch bleibt manche Gräte der Dramaturgie schwer zu schlucken, manches Verhalten inkohärent und der ein oder andere Satz zu sehr auf die geometrische Abgrasung des Themas gemünzt. Trotz ungeleckter Ästhetik steht dieser Film der klassischen Erzählweise Hollywoods näher als man denkt, was nicht zuletzt der Pathostrip mitsamt Zeitlupe, gefühlvoller Musik und Erinnerungsmomenten am Ende verrät. Irgendwann wird es einen Film geben, der die ganz großen Gefühle aus der unfrisierten Banalität des Alltags löst, dann wird nichts mehr sein wie es war und das Kino wird zur Wirklichkeit. Bis dahin erfreuen wir uns an gutem Kino, in diesem Fall aus Skandinavien.
Oscar Gewinner 2011, bester fremdsprachiger Film.
Information:
Dän. Titel: Hævnen
Dänemark, Schweden 2010
Dauer: 119 Minuten
Regie: Susanne Bier
Drehbuch: Anders Thomas Jensen, Susanne Bier
DoP: Morten Søborg
Musik: Johan Søderqvist
Darsteller: Mikael Persbrandt, Ulrich Thomsen, Trine Dyrholm, Markus Rygaard, William Jøhnk Juels Nielsen
Genre: Drama
Im Kino ab: 17.03.2011
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