Er beschwert sich, am Telefon, bei seiner Frau, anstatt ihn anzusprechen. Entweder man liege auf dem Rücken, oder auf dem Bauch. Wenn man aber auf der Seite läge, dann doch mit den Beinen geschert, also gekreuzt, synergetisches Prinzip, wie in der stabilen Seitenlage. Er aber hatte das untere Bein zu weit vorn, so dass beide Knie aufeinander lagen, man sah, dass es schmerzte. Und sein unterer Arm, auf dem lag er komplett, und die Hände fassten sich vor dem Bauch. Schlief er wirklich? War das hier etwa die Mitflugzentrale? Wieso waren sie auf einem Bett. Der schlafende richtete sich auf und sprühte dem Mann Parfum an den Hals, dieser protestierte laut. Hatte er ihn telefonieren hören? Er beschwerte sich lautstark über den Gestank, konnte auch sogleich den billigen Duft identifizieren, doch plötzlich verstummte er. Der Duft er, er…
Der Schlafende zog sich eine leichte Jacke über. Auf der Rückseite prangte das schrille, farbige Logo eines großen Pariser Dufthauses. Er setzte sich ans Steuer und flog weiter. Der andere Mann verstummte. Auch er bequemte sich vom Bett im Fond zurück auf den Beifahrersitz und schwieg. Schweigend roch er und genoss. Er verpasste es nicht seinem Fahrer abermals zu beteuern, welch schöner Duft das sei. Dieser hatte die ganze Zeit immer noch kein einziges Wort verlauten lassen. Um Schallwellen in der Luft zu erhalten, erkundigte sich der Beifahrer vorsichtig, ob er den anderen denn geweckt hätte, durch sein Telefonieren und ihm entging dabei nicht der ängstliche Hintergedanke, der Schlafende könnte gehört haben, wie er sich bei seiner Frau am Telefon über dessen Schlafposition beschwerte. Der Fahrer jedoch schwieg weiter. Dass Radio hörte nicht auf an- und auszugehen. In einem unsteten Rhythmus, schon seit einigen Minuten. Deswegen vermutet der Beifahrer auch, nicht er, sondern das defekte Radio hätte den Mann geweckt, oder er hoffte es zumindest. Sein Blick auf das Radio veranlasste den Fahrer es abzuschalten.
Es war tatsächlich das Radio, das ihn weckte – war schließlich sein Wecker. Aber nicht, dass er es hörte, er hörte nichts, nie. Er spürte es, besonders gut im Auto, wo sich die Vibrationen der Lautsprecher bis in seine Matratze übertrugen. Aber damit er sich nicht einfach in welligem Schlaf weiterwog, war das Radio präpariert an und aus zu gehen, in unstetem Rhythmus, als wäre es kaputt. Den anderen tränkte er sofort mit seinem Duftwasser, das würde ihn zum Schweigen bringen. Es brachte auf kurz oder lang immer alle zum Schweigen. Es war sehr gut. Das besondere daran war, dass es alle an etwas erinnerte. Und während alle versuchten herauszufinden an was, warum es ihnen so bekannt vorkam und wo sie es schon gerochen hatten, vergaßen sie darüber hinweg das Sprechen, was den Mann sehr glücklich machte, zumal er sich nie die Mühe gemacht hatte Lippenlesen zu lernen.
Während das Radio an war, war der Schlafende gezwungen es auszuschalten, es auszuträumen, um wieder seligen Schlaf zu finden. Doch kaum war es aus fand er ihn nicht, schlief er doch schon wieder, unfähig zu irgendetwas, wie ein Stein. Erst das erneute Wecken durch das Radio erinnerte ihn an seinen bitter benötigten Schlaf, den er sich gerade gönnte und machte ihn glücklich, einen Moment lang, bis ihn die Vibration zu sehr vom Schlafen abhielten und er es wieder austräumen musste. All dies verwirrte ihn in einem Zustand zwischen Wach und Schlaf derart, dass er nicht mehr wusste, wann er schlief. Wenn er das Radio ausmachte oder wenn er nichts wusste? Oder wenn es ihn weckte? Das eine gehörte zum anderen und wohl wusste er auch, dass die nächtlichen Erektionen genauso dazu gehörten. Fielen sie aus, wäre die Funktionstüchtigkeit des Organs auch unter Tags beeinträchtigt, wenn nicht sogar ausgeschaltet. So versuchte er nun anhand der Größe seines Organs zu bestimmen, ob er wohl gerade schlief oder wachte. Sein Entschluss war, dass er am meisten schlief, wenn er das Radio ausmachte, am zweit meisten, wenn ihn das Radio weckte und am wenigsten wenn er schlief. Neuerlich verwirrt von den Paradoxien der Vermengung von Wach und Schlaf, die denen der Vermengung von Kalkülen und der Welt übrigens sehr nahe stand, entschloss er sich Parfumerfinder zu sein und stand auf. Er zog sich seine Jacke über nachdem er einen Kunden parfümiert hatte, schaltete den Autopiloten ab und übernahm das Steuer, vermutlich auf dem Weg nach Paris. Ob er vielleicht doch von Paris kam und aufs Land wollte, um Parfum zu verkaufen, sollte sich im Verlauf der Reise herausstellen. Das Radio durfte nun abgeschaltet werden, denn eins wusste er genau, gemäß seinem Organ schlief er bombenfest, es war also nichts zu befürchten.
Kurzgeschichte von Christopher Haug