Gekämpft wird für Anerkennung in der Familie, aber es wird auch geboxt. Dabei ist der gefährliche Sport sowohl Fluch als auch Segen für Menschen ohne Horizont.
Mit einem Film im Film führt Regisseur David O. Russel seine Charaktere ein, genauer einer HBO Dokumentation im Film. Wie die Geschichte um den Boxer Micky Ward (Mark Wahlberg) selbst, so gehört auch diese Dokumentation zur wahren Begebenheit. In ihrem Zentrum steht Dicky Eklund (Christian Bale), Micky’s Halbbruder, der auch ohne die Kamera gerne die Hauptrolle übernimmt, obwohl er eigentlich nur seinen Bruder trainiert. Ohne Unterlass und angespornt von seiner berechnenden Mutter (Melissa Leo) sonnt er sich in alten Heldentaten, die längst nicht mehr wahr sind. Aber schließlich war er es und nicht Micky, der einst den großen Suger Ray Leonard zu Fall brachte. Deshalb spielt Micky nur die zweite Geige. Der schüchterne, junge Mann wird von seiner Familie zum Geldanschaffen regelrecht im Ring verheizt und verliert bald den Glauben an sich und seinen Sport. Dennoch hält er unbeirrt an seiner ihn schikanierenden Familie fest. Was ist da los?
Die Familie Micky‘s besteht neben dem extrovertierten und inzwischen cracksüchtigen Dicky aus einem kleinlauten Vater und einem Chor aus unzähligen Schwestern ohne Schulbildung, denen die beschränkte Provinzialität mehr als ins Gesicht geschrieben steht. Allesamt stehen sie unter der Fuchtel der geifernden Mutter, gleichzeitig Micky’s Managerin, Geldverwalterin und Möchtegern-Diva. Aus diesem Potpourri kreiert THE FIGHTER ein Joch, das Micky Ward zu Boden drückt. Doch gleichzeitig erhält es ihn am Leben, ist es doch alles, was er kennt und kann. Als Kind einfacher Verhältnisse schämt sich der Boxer gleich doppelt, wenn er im Ring zu Brei geschlagen wird. Er verliert nicht nur als Sportler, er verliert vor allem Achtung in der Familie; sofern er überhaupt welche besitzt.
Bale, der sichtlich Spaß daran hat voll über die Strenge zu schlagen, erhielt seinen Oscar nicht zu Unrecht. Aber auch Wahlberg passt wie die Faust aufs Auge in diese wortkarge Rolle des einfachen und loyalen Kerls. Die sorgfältige Ausstattung macht deutlich, wie weit die 90er schon zurück liegen, doch das tonangebende Stilmittel des Films ist die allseits einbrechende Imperfektion. Micky Wards Geschichte ist nicht einfach eine Erfolgsgeschichte, es ist vielmehr ein sich Zurechtfinden mit dem Gegebenen, dem der Film trotz aller Katastrophen etwas fröhliches abgewinnen kann. Erst so kann Micky die ganze Beschissenheit der Welt nichts mehr anhaben. Erst dann kann er darüber lachen, dass mal wieder sein Name falsch geschrieben wurde, dass das Nummerngirl im Ring stolpert und zu Boden geht, oder dass das Publikum sich zu Prügeln beginnt. Mit all diesen kleinen Details, diesem Dilettantismus und diesen daraus resultierende Peinlichkeiten, vor allem im Kreise der Familie, spickt Regisseur Russell seinen Film und kreiert so eine sehr greifbare und dichte Atmosphäre. Selbst das Boxen, welches ebenso dilettantisch vorgetragen wie abgefilmt wird, animiert eher zum Wegsehen. Genau das tut die Kamera dann auch, denn um Choreographien im Ring geht es nur am Rande. Deshalb fließt das Blut schon nach zwei Sekunden, wenig später ist der ganze Kampf vorbei und zwischendurch nimmt die Kamera öfter alle Umstehenden und deren Reaktionen ins Visier, als die sich Prügelnden selbst. Das Bild jedoch wie Micky im Ring steht, ängstlich die schützenden Fäuste vors Gesicht gepresst und Runde für Runde Prügel einsteckend, dieses Bild ist freilich sorgfältig inszeniert, drückt es doch in einer Körperhaltung das ganze Leben dieses Mannes aus. Dass er nach all der Prügel von allen Seiten immer noch steht, ist es, was ihn zum Fighter macht – nolens volens.
Nicht alle peinlichen Momente des Films sind auch für die Figuren peinlich. Der erste Flirt Micky’s mit seiner neuen Freundin (Amy Adams) trägt den Charme eines Boxhandschuhs, ruft aber dennoch kindliche Freude in ihm hervor. Irgendwie kommt THE FIGHTER so der HBO Dokumentation gleich, die, überraschend für alle Beteiligten, auf die gleiche Art Nähe wie Distanz zu den Figuren schafft. Ganz am Ende dürfen dann der richtige Micky Ward und selbstverständlich auch sein Bruder Dicky ins Bild. Schlagartig wird klar, dass das Maß der Fiktion sich in diesem Film wahrlich in Grenzen hält. Ein wirklich guter Film.
Information:
USA 2010
Dauer: 115 Minuten
Regie: David O. Russell
Drehbuch: Eric Johnson, Scott Silveri, Paul Tamasy
DoP: Hoyte van Hoytema
Musik: Michael Brook
Darsteller: Mark Wahlberg, Christian Bale, Amy Adams, Melissa Leo, Mickey O’Keefe, Jack McGee, Melissa McMeekin, Bianca Hunter, Erica McDermott, Jill Quigg
Genre: Drama, Sportfilm
Im Kino ab: 07.04.2011
Im Web:
The Fighter in der IMDb
Bilder und Trailer zur Filmkritik von The Fighter auf der offiziellen Website
http://www.youtube.com/watch?v=Nf1hWPwRerw