Killing Them Softly (2012)

Killing Them Softly Brad Pitt ImageGeldkrisenfilm: Schwadronierende Gangster und Corporate Mafia in wirrem Zustand.

Wie in DIE ERMORDUNG DES JESSY JAMES DURCH DEN FEIGLING ROBERT FORD versucht Regisseur und Drehbuchautor Andrew Dominik mit KILLING THEM SOFTLY einen bildstarken und stilisierenden Film um eine von Brad Pitt verkörperte Gangstergestalt ins Kino zu schicken. Und abermals führt ihn der Pfad nahe an die Pathetik. Doch leider stoßen die großen Ambitionen diesmal auf ein recht blutleeres Drehbuch.

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Bizarres Geschwätz: Jackie (Brad Pitt) kann nicht glauben, was Killer Mickey (James Gandolfini) ihm da auftischt.

Der Film scheint die ausufernden Dialoge des ihm zu Grunde liegenden Buches (Cogan’s Trade von George V. Higgins) ungeschminkt zu übernehmen, ohne sich groß um die erzählerische Differenz zwischen Literatur und Kino zu scheren. Das Resultat sind groteske Gespräche unter Gangstern, die zwar an PULP FICTION erinnern, aber weder komisch sind noch Spannung transportieren. Sie demontieren gar die zuvor aufgebaute, harte Stimmung mit ihrer redseligen Rührseligkeit und den aufgesetzt wirkenden Tiraden unter der Gürtellinie. Und auch wenn der Regisseur in seinem Film eine Komödie oder Parodie sieht, so ist im Kino selten jemandem zum Lachen zumute. Schuld daran sind auch die zu geradlinigen Charakterisierungen der Figuren, die von einer an sich fabelhaften Darstellerriege verkörpert werden.

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Fehl am Platze: Wie wenig die Welt von Russel (Ben Mendelsohn, links) und Frankie (Scoot McNairy) in Ordnung ist, zeigt das gesamte Set.

In KILLING THEM SOFTLY muss Mafioso Jackie Cogan (Brad Pitt) die Verantwortlichen eines Überfalls auf ein Pokerspiel bestrafen, damit die Angst der Zocker verschwindet und die Geschäfte der Unterwelt wieder florieren. Der Film begleitet erst die abgewrackten Täter Frankie (Scoot McNairy) und Russel (Ben Mendelsohn), wechselt dann auf die Seite der Mafiakiller und hält sich fortan immer da auf, wo gewollt gewichtige Gespräche stattfinden – und nicht unbedingt wo gehandelt wird. Wird nicht gesprochen, verschwinden Umgebungsgeräusche fast gänzlich und die Bilder werden in Songs von Velvet Underground bis Johnny Cash ertränkt. Es sei denn Gewalt steht auf dem Programm. Dann herrscht nur noch überbordendes Sounddesign ohne sonstigen Ton, was schon beim Intro des Films den Wunsch aufkommen lässt, die Lautsprecher aus der Kinowand zu reißen.

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Der geborene Loser: Hinter Markie (Ray Liotta) lauert der kaum in Erscheinung tretende Dillon (Sam Shepard) mit seinem eher einfältigen Haudrauf Kenny (Slaine).

Auf beunruhigend stille und banale Weise nimmt der Zuschauer in einer starken Szene an dem Überfall auf das Pokerspiel teil und erlebt später ähnlich intensiv die Läuterung von Markie (Ray Liotta). Das ernüchtert ebenso wie es zur Meditation anregt. Trotz offensichtlicher Parallelen reicht diese Faszination der Zerstörung aber nicht an ZABRISKI POINT’s Sprengorgie heran, denn was KILLING THEM SOFTLY demontiert, wurde vorher mit keinerlei Stimmung aufgeladen. Manche Superzeitlupe könnte man auch durch entsprechend langsame Bilder explodierenden Popcorns ersetzen, ohne den Effekt zu verändern.

Killing Them Softly Brad Pitt Scoot McNairy Bild
Auf Rendite aus: Der berechnende Jackie und der leicht zufrieden zu stellende Frankie geben ein merkwürdiges Duo ab.

Nicht unerwähnt bleiben darf der massive Einsatz von Politikerreden, die den 2008 spielenden Film allseits flankieren. Die Gangsterkrise wird vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise montiert, mit einer Feinfühligkeit, die an Frankenstein erinnert. Obama, McCain und Bush steuern noch mehr aufgesetzt gewichtige Worte zur zerrissenen Stimmung des Films bei, indem sie gefühlt pausenlos über Plakatwände, Fernsehschirme und das Radio geistern. Drehort ist New Orleans – nach Katrina. (Wirtschafts-)Krise, Dreck, kaputte Gestalten und Geldgeschäfte werden zu einem undurchschaubaren Potpourri zerstampft. KILLING THEM SOFTLY gibt ein Statement ab, das nichts auslöst und verwirrt, ebenso wie Jackies Aussage, er wolle seine Opfer lieber sanft töten und nicht zu nah dran, um keine emotionale Involviertheit zu riskieren. Das ist vielleicht der Knackpunkt des Films, denn die Handlung passt nicht zu den Worten, die Worte passen nicht zu den Geschehnissen und nichts und niemand greift die so entstandene Differenz auf. Deswegen erscheint dieser Gangsterfilm ähnlich vermurkst und zusammengestöpselt wie LONDON BOULEVARD. Durchdachte Ästhetik gepaart mit großer Ambition gaukeln hier Tiefgründigkeit und kluge Reflexion nur vor und sind doch nichts weiter als strebsam vorgetragene Stichworte, deren fehlende Struktur sie in Phrasen abebben lässt.

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Copyright Bilder und Trailer: Wild Bunch/Central Film

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