Premium Rush (2012)

Premium Rush PosterKinderfasching: Joseph Gordon-Levitt fährt ungebremst Fahrrad. Ui!

Der in PREMIUM RUSH gelebte Alltag junger Menschen in New York ist ja so hip – und die glatte, glossy, digitale Oberflächlichkeit erinnert auch gleich an einen Babypopo. Nicht, dass der Lifestyle Film unter Regisseur David Koepp ernst zu nehmende Charaktere oder dramatische Emotionen zu bieten hätte, die ein Aufstoßen bereiteten, nein. Die massentaugliche Individualistenkonformität von Wilee (Joseph Gordon-Levitt) aber mitsamt ihrem digital image enhancement im Sinne einer augmented reality und den dazugehörigen Smartphone Icons und Street-Views haben in etwa genau so viel Einfühlungsvermögen in die Tech-Kultur des 21. Jahrhunderts wie die Oma, die ihre Enkelkinder mit Apple Produkten einscheißt, weil man das heute eben so hat. Und ist es bei all dem digitalen Hightechwahn nicht herrlich erfrischend, wenn ein Drahtesel ohne Schaltung und Bremsen zum heimlichen Hauptdarsteller wird, als Ausdruck ungebremster Rebellion gegen die Verrücktheit einer gedankenlosen und geldgeilen Welt? Theoretisch schon, aber der weichgespülte Wilee ist eben nur ein Lifestyle-Quertreiber, freilich voll vernetzt und in Wirklichkeit der bravste von allen, auch wenn das Drehbuch hartnäckig versucht, ihm immer wieder das Gleiche anzudichten: Lebensmüde sei er, dieser Radkurier, der ohne Bremsen fahre und dessen verantwortungslose Art längst ihren Charme verloren habe. Tatsächlich lechzt der Film nichts anderem nach als eben dem Charme dieses coolen Gadget Junkies mit seinem Fixie (Fahrrad ohne Schaltung, Leerlauf und Bremse), der wie ein Irrer durch die Stadt heizt und dabei die Stadt zur „GEFÄHRLICHEn BRANDUNG“ zeitgemäßer Durchschnittsuser macht – oder zumindest so tut als ob.

Premium Rush Dania Ramirez Bild
Fesch: Vanessa (Dania Ramirez) traut sich noch nicht ohne Bremsen…

Dass PREMIUM RUSH als Film für Sportler welcher Art auch immer nicht taugt, haben die Drehbuchautoren Koepp und John Kamps wohl schon gemerkt, als sie die sportfanatische Nebenfigur Manny (Wolé Parks) ersannen. Dieser angeberische und geltungssüchtige Radverrückte bekommt mehr als einmal sein Fett ab und in Folge dessen darf im Film Physik und Technik ignoriert werden: So akquiriert die Masse eine weitere Randgruppennische für ihren Geltungsdrang und schubst die vormaligen echten Nerds süffisant über die Reling der In-Moral. In diesem Film auf Miley Cyrus Niveau darf man sich mit den Federn von Helden schmücken, die skalpiert wurden, um mit einer Marie Antoinette Ignoranz ein Kostüm aus ihnen zu schneidern, welches dem fröhlich plumpen Lächeln seiner Träger die stets vermisste Tiefe verleihen soll.

Premium Rush Joseph Gordon-Levitt Bild
…Wilee (Joseph Gordon-Levitt) hingegen ist vollkommen losgelöst und frei.

An Fasching erinnert aber auch die visuelle Umsetzung jener Szenen, bei denen der von Michael Shannon gut gespielte aber insgesamt zu tölpelhaft-witzig inszenierte Bösewicht Monday seine Bewegungen um gefühlte hundert Prozent verlangsamen muss, damit Wilee auch ja ein weiteres Mal entwischen kann. Obwohl der Film zum Großteil aus visueller Radfahraction besteht, ist selbst dieses Element nur im Stile eines „als ob“ gedreht. Wäre dieser Umstand Bestandteil des Films und würde selbstbezüglich referiert, hätte PREMIUM RUSH in umwerfend komödiantische Dimensionen aufsteigen können. So aber etabliert er sich als bunter Kinderfilm und erinnert irgendwie an HOOK, nicht zuletzt durch den lachhaften Flashmob New Yorker Radkuriere. Interessant auch wie Wilees Flamme Vanessa (Dania Ramirez) mit bloßen Händen eine Bremse vom Rad reißt und mit ihren Fingern Räder zentriert – wodurch sie die Radszene ähnlich wundersam bereichert wie Lance Armstrong.

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Der Polizist Monday (Michael Shannon) ist den beiden stets auf den Fersen, auch wenn er einen echt schlechten Tag hat.

Lachhaft ist auch die Geschichte abseits des dämlichen Fachsimpelns über den Nutzen von Bremsen am Rad, denn der artifiziell wirkende Kitschfaktor ist so unreflektiert hoch, dass man nur all zu gerne losprusten will, würde einen der Film nur lassen. Auf den Punkt gebracht geht es in PREMIUM RUSH um einen Radkurier, dem seine von einer Freundin überreichte Lieferung abgeluchst werden soll. Uneinsichtig, unorthodox und lakonisch strampelt der Hauptdarsteller mit dem Namen des Roadrunner Koyoten Wile E. gegen Korruption, Anzugzwang und Besserwisservernunft, solange, bis sein Fixie nur noch Schrott ist. Der Kommentar seiner Freundin hierzu: „So viel Spaß hatte ich noch nie, ohne die Klamotten auszuziehen.“ Zumindest in einigen Momenten kann der Film dieser Aussage Gewicht verleihen, denn manch rastlose Hatz, manch engem Spalt und so manch sicherer Sackgasse entkommt Wilee mit Bravour. Insgesamt bleibt aber der Eindruck, er tue nur so als ob. Der Fairness halber muss angemerkt werden, dass Gordon-Levitt sich bei den Drehbarbeiten tatsächlich Blessuren zufügte, was er allen, die den Abspann abwarten, auch stolz präsentiert. Insgesamt: Trotz Sony Branding definitiv ein Film für Apple Fans.

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Copyright Bilder und Trailer: Sony

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